Ausklang: Die schönere Welt, von deren Möglichkeit unsere Herzen schon wissen

Schlussbemerkung

Die schönere Welt, von deren Möglichkeit unsere Herzen schon wissen

Es ist möglich, dass wir erst dann vor unserer wirklichen Aufgabe stehen, wenn wir nicht mehr wissen, was zu tun ist. Und vielleicht haben wir unsere wirkliche Reise erst dann begonnen, wenn wir nicht mehr wissen, welchen Weg wir einschlagen sollen. Der Geist, der nicht ratlos ist, ist unterfordert. Es ist der in seinem Lauf behinderte Strom, der singt.

(Wendell Berry)

Als ich dieses Buch in der Einleitung ” der schöneren Welt, von deren Möglichkeit uns unsere Herzen erzählen” widmete, schrieb ich von einem Widerstand im Denken dagegen, dass die Welt ganz anders sein könnte, als wir sie immer kannten. Tatsächlich haben wir uns viele Jahrhunderte und sogar Jahrtausende an eine Welt von großer und immer weiter zunehmender Ungleichheit, von Gewalt, Hässlichkeit und Kampf gewöhnt. Manchmal erinnert uns ein Ausflug in die unberührte Natur, zu einer traditionellen Kultur oder in die von der verarmten modernen Welt verschleierte reichhaltige Sinnenwelt an das, was verloren gegangen ist. Und diese Erinnerung schmerzt, streut Salz in die Wunde der Getrenntheit. Solche Erfahrungen zeigen uns zumindest, was möglich ist, was gewesen ist und sein kann, aber sie zeigen uns nicht, wie wir eine solche Welt erschaffen können. Angesichts der enormen Kräfte, die in Stellung gebracht wurden, um den Status Quo beizubehalten, l assen wir verzagt den Mut sinken. Die flüchtigen Blicke auf eine schönere Welt, die wir in der Natur erhaschen oder bei speziellen Begegnungen, auf Musikfestivals, bei Zeremonien, in der Liebe und im Spiel, sind umso entmutigender, wenn wir glauben, dass sie niemals mehr sein können als kurzzeitige Verschnaufpausen von der seelenvernichtenden, geldgetriebenen Welt, an die wir gewöhnt sind.

Ein Hauptziel dieses Buches war, die Logik der Vernunft mit dem Wissen des Herzens in Einklang zu bringen: nicht nur deutlich zu machen, was möglich ist, sondern auch, wie wir dorthin gelangen können. Wenn ich das Wort “möglich” verwende, meine ich es nicht im Sinn von “vielleicht”, wie : “Es könnte vielleicht passieren, wenn wir nur Glück haben.” Ich meine möglich im Sinn von Selbstbestimmung: eine schönere Welt als etwas, das wir schaffen können. Ich habe viele Beweise für diese Möglichkeit geliefert: den unausweichlichen Niedergang eines Geldsystems, das von exponentiellem Wachstum abhängig ist, einen Bewusstseinswandel hin zu einem Selbst in Verbundenheit in einer ko-kreativen Partnerschaft mit der Erde, und die vielen Beispiele dafür, dass die nötigen Einzelteile einer heiligen Ökonomie schon im Entstehen begriffen sind. Das ist etwas, das wir schaffen. Wir können es, und wir tun es. Und können Sie sich angesichts dessen, dass so viel Schlechtes und Hässliches in der gegenwärtigen Welt auf das Geld zurückgeführt werden kann, vorstellen, wie die Welt sein wird, wenn einmal das Geld umgestaltet worden ist?

Ich kann sie mir nicht vorstellen, nicht alles davon, obwohl ich manchmal Visionen von ihr habe, die mir den Atem stocken lassen. Vielleicht stimmt es gar nicht, dass ich sie mir nicht vorstellen kann – vielleicht wage ich es nicht. Eine Vision von einer wahrhaft heiligen Welt, einer heiligen Ökonomie, macht das Ausmaß unseres heutigen Leidens umso deutlicher. Aber ich will mit Ihnen teilen, was ich in meinen Visionen gesehen habe, selbst die spekulativsten, naivsten, unpraktischsten und verträumtesten Aspekte. Ich hoffe, dass meine Offenheit nicht die Glaubwürdigkeit (sofern vorhanden) dessen in Frage stellt, was ich hier aufgebaut habe, indem ich die Konzepte einer heiligen Ökonomie in einer schlüssigen und logischen Weise darlegte.

In diesem Buch brachte ich viele andere Beispiele dafür, dass die heilige Ökonomie, die ich beschreibe, nicht nur möglich, sondern auch tatsächlich schon im Entstehen ist. Die alten Muster sind immer noch dominant, aber sie zerfallen immer rascher. Ich schrieb dieses Buch zwischen dem ersten Stadium des großen Zusammenbruchs – dem Kollaps des Finanzsystems im Jahr 2008 – und dem zweiten, das, so glaube ich, innerhalb der nächsten ein oder zwei Jahre stattfinden wird. Kein Mensch kann vorhersagen, in welcher Gestalt es sich zeigen wird. In Abhängigkeit von geopolitischen Ereignissen und Naturkatastrophen könnte das alte Regime einen Anschein von Normalität auch noch für ein paar weitere Jahre aufrechterhalten. Aber das Ende des Wucher-Zeitalters ist nahe, das Ende der Geschichte vom Aufstieg, das Ende des Zeitalters der Getrenntheit. Die Geburt einer neuen Ära, die Initiation der Menschheit ins Erwachsensein, könnte ein bisschen chaotisch werden. Sie wird wahrscheinlich die üblichen Begleiterscheinungen von wirtschaftlichen Zusammenbrüchen mit sich bringen – Faschismus, Bürgerunruhen und Krieg – aber ich denke, dass diese düstere Zeit viel kürzer und im Großen und Ganzen viel milder sein wird, als man nachvollziehbarerweise erwarten würde.

Ich glaube daran wegen all der erleuchteten Menschen, denen ich immer wieder begegne! Wir Menschen haben im letzten halben Jahrhundert eine Menge gelernt, und unser Bewusstsein hat einen kritischen Punkt in seiner Entwicklung erreicht. Es wird ähnlich sein wie mit dem Wandel auf der persönlichen Ebene. Auf unserem Weg in eine neue Art des Seins kann es vorkommen, dass wir noch ein- oder zweimal auf das alte Muster zurückgreifen und gleichsam noch einmal versuchen, in den Mutterleib zu passen. Aber wenn wir das tun, erkennen wir, das er uns nicht mehr aufnehmen kann, und ein Seinszustand, in dem wir einst Jahre gelebt hatten, wird innerhalb von Wochen oder Tagen unerträglich. So soll es auch für die Menschheit im Ganzen sein – ein paar kurze Jahre der Dunkelheit und des Aufruhrs. Vielleicht wird diese Phase des beschleunigten Wandels das sein, worüber ich vorher spekuliert habe: die rasche Aufeinanderfolge von Mini-Zeitaltern, die das Millionen Jahre alte Zeitalter der Werkzeuge, das hunderttausende Jahre alte Zeitalter des Feuers, das zehntausende Jahre alte Zeitalter des symbolischen Kultur, das jahrtausendealte Zeitalter der Landwirtschaft, das jahrhundertealte Maschinenzeitalter, und das jahrzehntealte Informationszeitalter vollendet. Die Singularität ist nah, und dann kommt ein Wandel, der qualitativ tiefgreifender ist als jeder Wandel vor ihm.

Jetzt, wo ich im Bereich der Spekulationen angelangt bin, möchte ich einige weitere Aspekte der heiligen Ökonomie beschreiben, die sich, so glaube ich, in den nächsten zwei Jahrhunderten zeigen werden. In diesem Buch habe ich Entwicklungen beschrieben, die wir in den nächsten zwanzig Jahren, und in manchen Fällen sogar in den nächsten fünf Jahren umsetzen können. Aber wie sieht es mit den nächsten zweihundert Jahren aus? (Ich bin zurückhaltend – vielleicht sollte ich mich weiter hinaus wagen!)

In Kulturen des Schenkens werden Geschenke nicht gehortet, und das Geben gehört zum normalen gesellschaftlichen Umgang miteinander. Eine Folge daraus ist, dass Reichtum öffentlich bekannt und transparent ist. Jeder weiß, wer wem was gegeben hat, wer viel hat, wer hortet, und wer großzügig ist. Übersetzt in die moderne Gelddynamik legt das nahe, dass alle Geldbestände und Transaktionen öffentlich gemacht werden und transparent sein sollten. Mit dem Aufkommen des Geldes begann eine neue Art von Heimlichkeit den Reichtum zu infizieren, die zuvor unmöglich war. Seinen Reichtum in Form von Landbesitz oder Schafen und Rindern konnte man nicht verstecken, und sich daher auch nicht vor den damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen drücken. Geld hingegen kann man im Keller horten, in der Erde vergraben, auf Nummernkonten versteckt halten, geheim halten, privat halten. Um die negative Wirkung von Geld rückgängig zu machen, muss schließlich auch dieser Eigenschaft des Geldes ein Ende gesetzt werden.

Der Übergang vom physischen Bargeld zur elektronischen Währung macht das möglich, aber natürlich taucht dann auch das Schreckgespenst der totalitären Kontrolle auf. Wollen wir, dass die Regierung infolge der totalen Informationserfassung jede Transaktion überwachen kann? Vielleicht nicht – außer jede Staatsausgabe wird auch öffentlich einsehbar gemacht. Es wird nicht reichen, dass das Finanzgebaren mancher Menschen und Institutionen öffentlich ist, während andere Machenschaften geheim bleiben. Geld muss universell transparent sein.

Offensichtlich würde ein System, in welchem jede Transaktion und jeder Kontostand öffentlich eingesehen werden können, die Geschäftspraxis radikal ändern. Wenn Sie jemals im Geschäftsbereich tätig waren, stellen Sie sich vor, dass jeder Kunde, Zulieferer und Konkurrent Ihre wahren Kosten gekannt hätte! Dagegen fügt sich Transparenz in Geldsachen ganz natürlich in die vom Schenken inspirierten Geschäftsmodelle, die ich im 21. Kapitel untersucht habe. Diese erfordern, dass Sie Ihre Kosten ehrlich offenlegen und Ihre Kunden einladen, Ihnen darüber hinaus Geschenke zu machen. Es wäre nie wieder möglich, über die eigenen Kosten zu lügen, um davon zu profitieren, dass die andere Seite weniger weiß.

Für viele Menschen mag die Idee, dass es keine finanzielle Privatheit mehr geben soll, bedrohlich scheinen. Weil unser Selbst heute so sehr ans Geld gebunden ist, würden wir uns bloßgestellt und verletzlich fühlen – und das wären wir auch tatsächlich in unserer heutigen Gesellschaft: dem Neid und der Beurteilung ausgesetzt und verletzlich für kriminelle Erpressung und Forderungen von zudringlichen Verwandten. In einem anderen Zusammenhang aber ist Transparenz in Geldsachen Teil einer Lebensweise, die offen, vertrauensvoll, ungeschützt und großzügig ist; dort kann man ein Mensch sein, ohne Angst zu haben, und sich in der Gesellschaft geborgen fühlen. Darüberhinaus würde finanzielle Transparenz viele Formen von Kriminalität schwieriger machen.

Wie bei den anderen Entwicklungen hin zu einer heiligen Ökonomie gibt es auch hier Anzeichen dafür, dass wir uns schon in diese Richtung bewegen, nicht nur durch die Digitalisierung des Geldes, sondern auch durch die neuen “sozialen Währungen” verschiedener Benutzerbewertungssysteme im Internet, die von Natur aus öffentlich sind. Schließlich ist Geld ein Symbol der Dankbarkeit der Gesellschaft für die Geschenke, die man ihr gemacht hat. Also passt es gut, dass diese Symbole selbst auch öffentlich sind.

Eine andere grundlegende Eigenschaft von Geld ist, wie wir gesehen haben, seine Gleichförmigkeit: Jeder Euro ist genau so wie jeder andere Euro. Also hat Geld keinen Werdegang, keine Geschichte, die mit ihm verbunden ist. Diese Eigenschaft ist es auch, die es von der materiellen und gesellschaftlichen Welt trennt – zusätzlich zu dem Umstand, dass es alles gleichförmig macht, mit dem es in Berührung kommt. In früheren Zeiten jedoch waren Geschenke einzigartige Objekte, die alle ihre Geschichten hatten. Bei Zeremonien, in denen Geschenke überreicht wurden, wurde oft die gesamte Vorgeschichte eines Geschenks wieder erzählt (einem archaischen Impuls folgend tun wir das heute immer noch; wir möchten erzählen, wo wir es gekauft haben, oder wie Oma es damals als Hochzeitsgeschenk bekommen hat). Die Gleichförmigkeit des Geldes und seine Anonymität (meine Euros sind genauso wie deine Euros) machen es daher inkompatibel mit den Prinzipien des Schenkens und mit den zwei Eigenschaften von Heiligkeit, die ich in der Einleitung genannt habe: Einzigartigkeit und Verbundenheit.

Daher schätze ich, dass das Geld seine Gleichförmigkeit allmählich verlieren und eine Form annehmen wird, die ihm ermöglicht, seine Vorgeschichte mit sich zu tragen. Bei elektronischem, transparenten Geld könnte jede Transaktion, für die ein bestimmter Euro jemals benutzt worden ist, in einer zugehörigen elektronischen Datenbank aufgezeichnet werden. Und wenn Sie dann einen Kauf tätigen, könnten Sie entscheiden, ob Sie das Geld von Ihrem Arbeitgeber verwenden oder das Geld, das Ihnen eine Freundin geschenkt hat. Und selbst wenn es auf dem gleichen Konto läge, wäre es ein anderes Geld. Die kindliche Vorstellung, dass die Bank “Ihr Geld” aufbewahrt und Ihnen genau dieselben Banknoten wieder zurück gibt, wenn Sie Geld beheben, würde dann wahr. (Dieses System steht nicht im Widerspruch zur Kreditschöpfung – Geld könnte immer noch geboren werden, eine Weile zirkulieren und dann sterben.)

Die historische Entwicklung der Zivilisation von der zunehmenden Getrenntheit und deren bevorstehender Überwindung im Zuge eines langen Zeitalters der immer vollständigeren Wiedervereinigung ist auch eine Reise von einer ursprünglichen Fülle hin zu äußerster Knappheit, und dann wieder zurück zur Fülle auf einer höheren Komplexitätsebene. Ich habe hier geschrieben, dass über die digitalen Medien eine Wirtschaft der Fülle entsteht, aufgrund der Disintermediation und dadurch, dass die Produktionskosten für “Inhalte” fast auf null gefallen sind. Auf lange Sicht wird diese Wirtschaft der Fülle, deren Reichweite heute noch beschränkt ist, die Vorlage für neue Bereiche der Fülle werden. Einer davon wird Energie sein. Energie “zu billig, um gemessen zu werden” – dieser Traum der Visionäre des Atomzeitalters wird sich erfüllen.

Heute, wo die Erdölvorräte parallel zur Kapazität der Erde, die Emissionen fossiler Brennstoffe zu absorbieren, schwinden, scheint es, als stünden wir genau vor der gegenteiligen Situation. Kurzfristig könnten wir einen Energieüberfluss durch die Nutzung von umweltfreundlichen Energiequellen, durch Solar- und Windtechnologie und durch Energiesparmaßnahmen erreichen. Aber ich denke, dass, wenn die Menschheit erst einmal eine wahre Geisteshaltung der Fülle annimmt, gigantische neue Energiequellen verfügbar werden, die außerhalb der Reichweite unserer heutigen konventionellen Wissenschaft liegen. Sie werden nicht aus der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Technologie hervorgehen, sondern aus einer Veränderung der Wahrnehmung resultieren. Technologien für “freie Energie”, die auf Nikola Tesla zurückgehen, sind ja schon seit mindestens hundert Jahren bekannt.1 Heute gibt es mindestens fünf bis zehn verschiedene Energietechnologien, die scheinbar das zweite Gesetz der Thermodynamik verletzen. Wenn Sie sich mit dem Thema beschäftigen, werden Sie auf eine schmutzige Geschichte stoßen, eine Geschichte von beschlagnahmten Forschungsergebnissen, zerstörten Karrieren und sogar mysteriösen Todesfällen von Forschern. Ob es nun jemals eine aktive Verschwörung gab – oder immer noch gibt -, um die Energieknappheit aufrechtzuerhalten, die Menschheit ist jedenfalls auf einer gewissen Ebene noch nicht bereit für das Geschenk der Energie im Überfluss. Und vielleicht wird sie das noch einige Jahrzehnte länger nicht sein, so lange wir nicht wirklich tief und umfassend den Geist des Schenkens verinnerlicht haben. Als J. P. Morgan Teslas Karriere ruinierte, kann es der Versuch gewesen sein, eine künstliche Knappheit aufrechtzuerhalten und davon zu profitieren, ähnlich wie das die Tonträger- und Filmindustrie in jüngerer Zeit macht. Aber vielleicht sind hier größere Mächte am Werk; vielleicht war sich J. P. Morgan auf einer gewissen Ebene bewusst, dass die Menschheit für Teslas Geschenk noch nicht bereit war. Jedenfalls sind unsere herrschenden Paradigmen, die in der Getrenntheit und Knappheit wurzeln, von Grund auf nicht in der Lage, Technologien der freien Energie zu akzeptieren, die sie als unmöglich, betrügerisch oder fantastisch abtun.

Wenn unsere äußeren Lebenserfahrungen in gewisser Weise unsere innere Verfassung widerspiegeln, dann braucht es für den Anbruch einer Zeit des Energieüberflusses vielleicht erst einen Erfinder, der alle Hoffnungen aufgibt, seine Erfindung zu patentieren und davon zu profitieren, und der sie stattdessen der Allgemeinheit frei zugänglich macht und veröffentlicht. Das würde die üblichen Beschuldigungen der Scharlatanerie und die drohende Beschlagnahmung der Patente durch das Militär umgehen. Kann ein Mensch sich wünschen, das einzusperren und zu besitzen, was grundsätzlich ein freies Geschenk des Universums ist?

Ich glaube nicht, dass Technologie die Menschheit retten wird. Viele Menschen, die meine Arbeiten gelesen hatten, fragten mich, ob ich das Venus-Projekt kenne, das eine Bewegung inspiriert hat, die sich auf das gleiche Grundverständnis über die Problematik unseres heutigen Geldsystems stützt. Während ich mich dem Geist dieser Bewegung nahe fühle, finde ich, dass das Venus-Projekt aber zu sehr in diesem technologischen Utopismus schwelgt, der uns seit Beginn des Kohlezeitalters mit blauäugiger Hoffnung erfüllt. Dabei ist uns, wie ich im 2. Kapitel geschrieben habe, Fülle als Option doch immer offengestanden. Es sind unsere Wahrnehmungen, nicht unsere Mittel, die Knappheit erzeugen.

Lassen Sie es mich poetisch ausdrücken: Am Ende des 10. Kapitels schrieb ich:

Es gibt eine spirituelle Tradition, nach der auch wir der Sonne etwas zurückgeben. Die Sonne scheint demnach sogar nur aufgrund unserer Dankbarkeit weiter. Sonnenrituale wurden früher nicht nur abgehalten, um der Sonne zu danken, sondern, um sie weiter scheinen zu lassen. Sonnenenergie ist das Licht irdischer Liebe, das auf uns zurückfällt. Auch hier wirkt der Kreislauf des Geschenks.

Wenn wir die Geisteshaltung der Fülle und die Großzügigkeit des Selbst in Verbundenheit annehmen, wenn unser Selbst zum Ich wird, das in Liebe mit dem Du verbunden ist, wäre es nicht möglich, dass dann die Sonne heller scheint? Dass dann für uns neue “Sonnen”, neue Quellen der unendlichen Großzügigkeit des Universums zugänglich werden, die unsere Liebe zurückwerfen? Wir sind in die Dankbarkeit hineingeboren worden; sie ist unsere ursprüngliche Antwort auf das Geschenk des Lebens an sich. Wenn wir aus dieser Dankbarkeit heraus leben, also im Geist des Geschenks leben, und wenn wir die Schleusen unserer Großzügigkeit weiter öffnen, wird unweigerlich auch der Fluss von Geschenken zu uns herein zunehmen.

Und nach der Energie, wer weiß, in welchen anderen Bereichen wir die elementare Fülle des Universums zum Ausdruck bringen werden? Bei der Materie? In der Zeit? Im Bewusstsein? Ich weiß nur, dass wir Menschen gerade erst begonnen haben, unser Potential zu erkennen und es für schöne Zwecke zu verwenden. Wir sind fähig, Wunder zu bewirken – und das ist gut, denn angesichts des heutigen Zustands unseres Planeten ist das auch notwendig.

Ich kann nicht vorhersagen, wie sich das Zeitalter der Wiedervereinigung linear in der Zeit entwickeln wird. Aber ich weiß, dass meine Generation am Ende ihrer Lebenszeit in einer unvorstellbar viel schöneren Welt leben wird, als sie war, als wir geboren wurden. Und es wird eine Welt sein, die sich merklich von Jahr zu Jahr verbessern wird. Wir werden die griechischen Inseln wiederaufforsten, die vor über zwei Jahrtausenden kahlgeschlagen worden sind. Wir werden die Wüste Sahara wieder zu dem üppigen Grasland machen, das sie einst war. Gefängnisse wird es nicht mehr geben, und Gewalt wird selten sein. Bei der Arbeit wird es um die Frage gehen: “Wie kann ich meine Begabungen am schönsten zu Geschenken machen?”, und nicht darum: “Wie kann ich mir mein Leben verdienen?” Eine Staatsgrenze zu überschreiten wird mit der Erfahrung verbunden sein, willkommen geheißen zu werden, nicht kontrolliert. Minen und Steinbrüche wird es kaum mehr geben, weil wir die gigantischen Materialansammlungen aus dem Industriellen Zeitalter wiederverwenden werden. Unsere Wohnorte werden organische Erweiterungen von uns selbst sein, und was wir essen, wird von Menschen angebaut worden sein, die uns kennen. Wir werden Gegenstände benutzen, die das Beste sind, was Menschen in der vollen Blüte ihrer Talente herstellen können. Wir werden im Reichtum einer Intimität und Gemeinschaft leben, den es heute kaum gibt; aber die Sehnsucht in unseren Herzen lässt uns wissen, dass es ihn geben muss. Und die meiste Zeit über werden die lautesten Geräusche, die wir hören, die Geräusche der Natur und das Gelächter von Kindern sein.

Fantastisch? Der Verstand fürchtet sich davor, etwas zu Gutes zu erhoffen. Wenn diese Beschreibung Ärger, Verzweiflung oder Trauer hervorruft, dann hat sie eine gemeinsame Wunde berührt, die Wunde der Getrenntheit. Aber das Wissen darüber, was möglich ist, lebt in jedem von uns – unauslöschlich. Vertrauen wir auf dieses Wissen, erinnern wir einander daran, und gestalten wir unser Leben rund um diese Gewissheit. Haben wir denn eigentlich eine Wahl, wenn doch die alte Welt auseinanderfällt? Sollen wir uns mit irgendetwas Geringerem zufrieden geben, als mit einer Welt, die heilig ist?

1 Bezeichnenderweise zog J. P. Morgan nicht die Wissenschaft in Zweifel, als er die Finanzierung für Teslas Projekt für drahtlose Energieübertragung kappte (diese hätte Tesla zufolge nahezu unendlich viel Energie zur Verfügung gestellt). Er bekundete nicht den geringsten Zweifel daran, dass die Erfindung funktionieren würde. Er lehnte sie ab, weil er sah, dass es unmöglich sein würde, damit Geld zu verdienen. Er sagte: “Wenn ich es nicht messen kann, kann ich es nicht verkaufen.” Teslas frühere Erfindungen wie der Wechselstrom passten in eine Wirtschaft der Knappheit und zu einer Mentalität der Kontrolle, also wurden sie von den Finanzmächten enthusiastisch aufgenommen.

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