Kapitel 22: Gemeinschaft und das Unbezifferbare

 

Die Wirtschaftswissenschaften sind äußerst nützlich
als Beschäftigungsmöglichkeit für Ökonomen.
(John Kenneth Galbraith)

Weiter oben habe ich den Verlust an Verbundenheit und die Einsamkeit in einer Gesellschaft beschrieben, in der beinahe das gesamte soziale Kapital, fast alle menschlichen Beziehungen, in bezahlte Dienstleistungen umgewandelt wurden: Weit entfernte Fremde erfüllen fast alle unserer materiellen Bedürfnisse, wir können immer “jemand anderen dafür bezahlen”, das unausgesprochene Wissen “ich brauche dich nicht” durchdringt unser geselliges Beisammensein und läst unsere Begegnungen nichtssagend und entbehrlich werden. So sieht also der Gipfel der Zivilisation aus, der Endpunkt einer jahrhundertelangen Wohlstandssteigerung: einsame Menschen in Schuhkartonwohnungen leben umgeben von lauter Fremden, vom Geld abhängig, als Sklaven ihrer Schulden. Und sie verheizen das natürliche und soziale Kapital des Planeten, um diesen Zustand aufrechtzuerhalten. Wir haben keine Gemeinschaft, denn Gemeinschaft ist aus Geschenken gewoben. Wie können wir denn Gemeinschaft bilden, wenn wir für alles, was wir brauchen, bezahlen?

Gemeinschaft ist nicht ein weiteres Bedürfnis zusätzlich zu unseren anderen, keine gesonderte Zutat für das Glück zusammen mit Nahrung, Unterkunft, Musik, Berührung, intellektueller Anregung und all dem anderen, das uns körperlich und geistig nährt. Gemeinschaft entsteht, indem diese Bedürfnisse erfüllt werden. Daher führt jeder, der versucht, seine Bedürfnisse unabhängig von anderen Menschen zu erfüllen, ein Leben ohne Gemeinschaft.

Die Geschenke, aus denen das Gewebe der Gemeinschaft gewirkt ist, dürfen keine reinen Oberflächlichkeiten sein, sie müssen reale Bedürfnisse stillen. Nur dann erwecken sie Dankbarkeit und erzeugen Verpflichtungen, die die Menschen aneinander binden. Was es heute so schwierig macht, Gemeinschaft zu schaffen, ist, dass zum Schenken nichts mehr übrig bleibt, wenn Menschen alle ihre Bedürfnisse mit Geld erfüllen. Wenn Sie jemandem ein Produkt schenken, das es irgendwo zu kaufen gibt, geben Sie ihm dadurch entweder indirekt Geld (indem Sie ihm ersparen, das Produkt selbst zu kaufen), oder Sie schenken ihm etwas, das er nicht braucht (sonst hätte er es schon gekauft). Keine dieser Alternativen ist ausreichend, um ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen, außer der Beschenkte im ersten Fall braucht gerade Geld. So kommt es, dass Gemeinschaft unter armen Menschen viel stärker ist als unter reichen. Sie haben mehr ungestillte Bedürfnisse. Das war eine der größten Lehren, die ich aus meiner Phase der Armut nach der Veröffentlichung von Die Renaissance der Menschheit zog. Aus der Not heraus lernte ich, Geschenke anzunehmen, ohne mich davor zu fürchten, dadurch eine Verpflichtung einzugehen. Die Hilfe, die ich erhielt, erweckte in mir wieder die ursprüngliche, kindliche Dankbarkeit, diese Erkenntnis, dass mein Überleben und meine Existenz gänzlich abhängig sind von dem Netzwerk des Schenkens, das mich umgibt. Ich lernte auch, selbst großzügiger zu sein, weil ich erfahren hatte, wie beschämend es ist, pleite zu sein: Ich hatte meine Wohnung verloren und musste mit meinen Kindern im Wohnzimmer anderer Leute schlafen, und ich lernte zu akzeptieren, dass es okay ist, solche Hilfe zu bekommen. Vielleicht ist es ein Vorteil dieser wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die zunehmend unsere Illusion von Normalität trüben, dass sie in immer mehr Menschen wieder diese ursprüngliche Dankbarkeit wecken, die aus der Notwendigkeit entsteht, Geschenke annehmen zu müssen, weil sie kein Geld haben. Solche Phasen der Hilflosigkeit wie in der Kindheit bringen uns wieder in Verbindung mit dem Prinzip des Geschenks. Andere Menschen, die ich kenne, machten ähnliche Erfahrungen, als sie durch schwere Krankheiten hilflos waren.

Als ich erkannte, dass die Auflösung von Gemeinschaft daher kommt, dass Aufgaben, die einst Teil des Schenknetzwerks waren, nur mehr als käufliche Dienstleistungen zu haben sind, sah ich zunächst keine andere Möglichkeit, Gemeinschaft wiederherzustellen, als die Geldwirtschaft und infolgedessen das wirtschaftliche und industrielle System der Massenproduktion abzuschaffen. Ich sah keine andere Möglichkeit, Gemeinschaft wieder neu aufzubauen, als die Dinge wieder “auf die harte Tour” zu machen, das heißt ohne Maschinen. Wenn die Gemeinschaft daran zugrunde geht, dass Fremde alles produzieren, was wir brauchen, dann, so dachte ich, müssen wir, um sie wiederherzustellen, zurückkehren zur lokalen und notwendigerweise zur niedrigtechnologischen Produktion – einer Produktionsform, für die keine globale Arbeitsteilung erforderlich ist.

Es wäre aber doch dumm, all das aufzugeben, was wir heute haben, nur um wieder Gemeinschaft zu haben. Außerdem wäre das zwecklos, weil es nicht wahrhaftig ist. Die Bedürfnisse wären keine echten Bedürfnisse, sie wären künstlich. Zu sagen: “Ich könnte diese Bretter in einer Stunde mit der Kreissäge zerschneiden, aber verwenden wir doch stattdessen die Zwei-Personen-Schrotsäge. Dann brauchen wir zwar zwei Tage, aber dafür werden wir dadurch unsere Abhängigkeit voneinander besser spüren,” ist eine Selbsttäuschung. Künstlich erzeugte Abhängigkeit ist nicht die richtige Lösung für die heute herrschende künstliche Getrenntheit. Die Lösung besteht nicht darin, schon erfüllte Bedürfnisse weniger effizient zu erfüllen, damit wir gezwungen sind, einander zu helfen, sondern es geht darum, die Bedürfnisse zu stillen, die heute unerfüllt vor sich hinwelken.

Es wird nicht die Sehnsucht nach Gemeinschaft sein, die zur Renaissance von traditionellem Handwerk und Niedrigtechnologieproduktion führen wird. Diese Renaissance wird dadurch gefördert (aber nicht erzwungen), dass die versteckten Subventionen für energieintensive, zentralisierte Produktion und den Transport aufhören. Wir werden wieder lokal produzieren, aus dem Wunsch heraus, das Leben zu verbessern und ungestillte Bedürfnisse zu erfüllen – em Wunsch, reicher zu werden. Die Menschen, die sagen: “Wir sollten lieber wieder lernen, Handwerkzeuge zu benutzen, weil das Erdöl so teuer werden wird, dass uns nichts anderes übrig bleibt,” geben sich einem Fatalismus hin. Sie hoffen, dass wir in einen richtige Lebensführung zurückgezwungen werden. Ich denke, wir werden sie uns selbst aussuchen. Die Krisen, die aus der Getrenntheit entstanden sind, werden uns mit immer stärkerer Dringlichkeit vor diese Wahl stellen. Doch wenn wir als Spezies wirklich einen hässlichen, auf Massenproduktion basierenden Lebensstil haben wollen, werden wir diesen wahrscheinlich noch für eine lange Zeit aufrechterhalten können, nämlich so lange, bis wir unsere Lebensgrundlagen in der Biosphäre vernichtet haben. Peak Oil wird uns nicht retten! Statt dessen werden wir uns dafür entscheiden, lokale, arbeitsintensive Produktion im kleinen Maßstab wiederzubeleben, als einzige Möglichkeit, wichtige Bedürfnisse zu erfüllen. Es ist der einzige Weg, wie wir unser Leben bereichern und den Neuen Materialismus realisieren können, den ich im nächsten Kapitel beschreiben werde.

Sie sehen, das Gefühl “Ich brauche dich nicht” beruht auf einer Illusion. In Wirklichkeit brauchen wir einander. Obwohl wir in der Lage sind, für alles zu bezahlen, was wir brauchen, befriedigt uns das nicht; es fühlt sich nicht so an, als wären alle unsere Bedürfnisse wirklich erfüllt. Wir fühlen uns leer, hungrig. Und weil dieser Hunger bei den Reichen genauso wie bei den Armen herrscht, weiß ich, dass er etwas betrifft, das nicht mit Geld gekauft werden kann. Vielleicht gibt es ja eine Hoffnung für Gemeinschaft mitten in einer vom Geld dominierten Gesellschaft. Vielleicht liegt sie in jenen Bedürfnissen, die gekaufte Dinge nicht befriedigen können. Vielleicht sind die Dinge, die wir am allermeisten brauchen, nicht unter den Massenprodukten zu finden, können nicht bemessen und nicht zur Ware gemacht werden, und liegen daher grundsätzlich außerhalb der Geldsphäre.

Einem finanziell unabhängigen Menschen fehlt nicht deshalb Gemeinschaft, weil er alle seine Bedürfnisse über das Geld erfüllt – ihm fehlt Gemeinschaft, weil er seine Bedürfnisse nicht erfüllt, außer über das Geld. Genauer, er verwendet Geld, um Bedürfnisse zu erfüllen, die er mit Geld gar nicht erfüllen kann. Das unpersönliche und austauschbare Geld kann von sich aus nur Bedürfnisse erfüllen, die auch diese Eigenschaften besitzen. Ich kann das Bedürfnis nach Kalorien, nach X Gramm Eiweiß, Y Milligramm Vitamin C und allem anderen, das standardisiert und quantifiziert werden kann, erfüllen. Aber das allein kann nicht mein Bedürfnis nach einem schönen Essen erfüllen, das von jemandem zubereitet wurde, dem es ein Anliegen ist. Mit Geld kann ich das Bedürfnis nach Unterkunft erfüllen, aber Geld allein kann nicht das Bedürfnis nach einem Zuhause stillen, in dem wir uns geborgen fühlen, wie in einer zweiten Haut. Mit Geld kann man heute praktisch jeden Gebrauchsgegenstand kaufen, aber kaum noch einen solchen, der Sie mit der Geschichte von einem Menschen verbindet, den Sie persönlich kennen, und der Sie kennt: dem, der diesen Gegenstand hergestellt hat. Mit Geld können Sie Lieder kaufen, aber keines, das jemand speziell für Sie gesungen hat. Selbst wenn Sie Musiker engagieren, um bei Ihnen zu Hause zu spielen, haben Sie keine Garantie dafür, egal wie viel Sie bezahlen, dass diese Menschen wirklich für Sie singen werden und nicht nur so tun als ob. Wenn Ihnen Ihre Mutter früher Schlaflieder vorgesungen hat, oder wenn Ihnen jemals Ihr Geliebter ein Ständchen vorgetragen hat, wissen Sie, wovon ich spreche, und welch ein tiefes Bedürfnis so etwas erfüllt. Manchmal passiert es sogar in einem Konzert, dass die Musiker nicht nur einen Auftritt liefern, sondern wirklich für dieses Publikum spielen, oder eigentlich: zu diesem Publikum spielen. Ein jeder solcher Auftritt ist einzigartig, und seine besondere Magie verschwindet in einer Aufzeichnung. “Sie müssen dabei gewesen sein.” Stimmt, wir zahlen vielleicht Geld, um an einem Konzert teilzunehmen, aber wir bekommen mehr als das, wofür wir bezahlt haben, wenn die Musiker wirklich für uns spielen. Wir haben dann nicht das Gefühl, dass diese Transaktion vollständig abgeschlossen ist, dass alle Verpflichtungen ausgeglichen sind, wie das bei einer Geldtransaktion der Fall ist. Wir empfinden eine bleibende Verbundenheit, weil uns hier ein Geschenk gemacht worden ist. Kein Leben kann reich sein ohne solche Erfahrungen, die vielleicht auch eine Geldtransaktion als Vehikel benutzen, für die aber keine noch so hohe Geldsumme garantieren kann.

Die Situation in den USA, dem Land, für dessen Gesellschaft das Geld wichtiger ist als irgendwo sonst auf der Welt, ist folgende: Manche unserer Bedürfnisse werden übererfüllt, während andere auf tragische Weise unerfüllt bleiben. Wir in den reichsten Gesellschaften bekommen zu viele Kalorien, und trotzdem hungern wir nach schönem, frischem Essen; wir haben übergroße Häuser, aber keinen Raum für echte Individualität und Verbundenheit; überall sind wir von Medien umgeben, während wir uns nach echter Kommunikation verzehren. Jeden Moment rund um die Uhr wird uns Unterhaltung geboten, aber wir haben keine Gelegenheit, zu spielen. Im allgegenwärtigen Einflussbereich des Geldes hungern wir nach allem, was intim, persönlich und einzigartig ist. Wir wissen mehr über das Leben von Michael Jackson, Prinzessin Diana und Lindsay Lohan, als wir über unsere Nachbarn wissen, was dazu führt, dass wir eigentlich überhaupt niemanden wirklich kennen, und dass auch uns kaum jemand kennt.

Das, was wir am meisten brauchen, ist das, wovor wir uns am meisten zu fürchten begonnen haben – Abenteuer, Intimität und authentische Kommunikation. Wir vermeiden den Augenkontakt und bleiben bei unverfänglichen Themen. Wir halten unsere Privatheit, die Diskretion, als Tugend hoch, damit keiner unsere schmutzige Wäsche sieht. 1 Das Leben ist zur Privatsache geworden. Uns ist Intimität und Verbundenheit unangenehm, obwohl gerade das die größten unter unseren heute unerfüllten Bedürfnissen sind. Wirklich gesehen und gehört zu werden, wirklich von jemandem gekannt zu sein, ist ein tiefes menschliches Bedürfnis. Unser Hunger danach ist so allgegenwärtig, so sehr Teil unserer Lebenserfahrung, dass wir nicht mehr wissen, was uns fehlt, so wie ein Fisch nicht weiß, dass er nass ist. Wir brauchen noch viel mehr Intimität, als die meisten von uns heute für normal halten. Immer hungrig danach suchen wir Trost und Zuflucht bei den nächstbesten Ersatzmitteln: Fernsehen, Einkaufen, Pornographie, Prestigekonsum – alles, um unseren Schmerz zu lindern, um uns verbunden zu fühlen, oder um ein Bild davon vorzutäuschen, wie wir gesehen und gekannt sein wollen, oder zumindest wie wir uns selbst sehen und kennen wollen.

Offensichtlich ist der Übergang zu einer heiligen Ökonomie von einem Wandel in unserem Denken begleitet. Gemeinschaft, worunter wir heute gewöhnlich lediglich Nähe oder einfach ein Netzwerk verstehen, ist eine viel tiefere Form von Verbindung: Gemeinschaft bedeutet, dass man das eigene Sein mit anderen teilt, es ist eine Erweiterung des eigenen Selbst. In Gemeinschaft zu sein heißt, in einer persönlichen, wechselseitig abhängigen Beziehung zu sein, und das hat seinen Preis: Es kostet uns unsere Illusion von Unabhängigkeit und unsere Freiheit von Verpflichtungen. Beides zugleich kann man nicht haben. Wenn Sie Gemeinschaft wollen, müssen Sie willens sein, sich zu verpflichten, abhängig, ein- und angebunden zu sein. Sie werden Geschenke machen und bekommen, die Sie nicht einfach irgendwo kaufen können. Sie werden nicht einfach eine andere Quelle finden können. Sie werden einander brauchen.

Ich habe in diesem Kapitel bisher einen Bogen um die Frage gemacht, was genau die Bedürfnisse sind, die in einer von Geld beherrschaften Welt unerfüllt bleiben. Ich habe viele Beispiele dafür gegeben, was ein tiefes Bedürfnis erfüllt: Lieder, die für uns gesungen werden, ein Zuhause, das wie eine zweite Haut für uns ist, Speisen, die mit Liebe zubereitet wurden. Aber was ist das allgemeine Prinzip dahinter? Ob es nun unsere Bedürfnisse nach körperlicher oder nach spiritueller Nahrung sind (z.B. Berührung, Spiel, Geschichten, Musik oder Tanz), sie sind nicht eindeutig getrennt von der Geldsphäre. Wir können Berührung kaufen, Geschichten kaufen (wenn wir zum Beispiel ins Kino gehen), Musik und Videospiele kaufen, um zu spielen, wir können sogar Sex kaufen. Aber was auch immer wir kaufen, ist entweder ein Vehikel für etwas Unbezifferbares oder eben nicht, und es ist genau dieses Unbezifferbare (das daher von der Geldsphäre nicht erfasst werden kann), wonach wir eigentlich lechzen. Wenn es fehlt, erscheint uns, was immer wir gekauft haben, als leer. Es genügt uns nicht. Wenn es aber da ist, dann wissen wir, selbst wenn wir nur das Vehikel, dessen es sich bedient, gekauft haben, dass wir etwas unendlich Wertvolleres bekommen haben, als das, wofür wir bezahlten. Mit anderen Worten: Wir wissen, dass wir beschenkt wurden. Der Koch, der mit besonderer Sorgfalt darauf achtet, etwas Besonderes zu kochen, die Musikerin, die ihr Herz in ihr Spiel legt, der Designer, der mehr Denkarbeit in ein Produkt investiert, weil er es richtig machen will, sie alle werden nicht direkt von ihren zusätzlichen Anstrengungen profitieren. Sie handeln im Geist des Schenkens, und das spüren wir – daher kommt der Wunsch “ein Kompliment an die Küche” zu schicken. Ihr Verhalten ist unökonomisch, und das jetzige, konkurrenzbasierte Geldsystem merzt dieses Verhalten aus. Wenn Sie jemals in diesem System gearbeitet haben, wissen Sie, was ich meine. Ich spreche von diesem unbarmherzigen Druck, Dinge gerade gut genug, aber ja nicht besser zu machen.

Was ist dieses nicht-bezifferbare Extra, das sich manchmal des Vehikels gekaufter Dinge bedient und diese zu Geschenken macht? Was ist dieses in der modernen Zivilisation meist ungestillte Bedürfnis? Kurz und bündig: Das grundlegende Bedürfnis, das heute unerfüllt bleibt, das fundamentale Bedürfnis, das tausend Formen annimmt, ist das Bedürfnis nach dem Heiligen – der Erfahrung von Einzigartigkeit und Verbundensein, über die ich in der Einleitung geschrieben habe.

Umweltschützer behaupten oft, dass wir es uns kaum leisten können, diesen ressourcenintensiven Lebensstil beizubehalten. Damit unterstellen sie, dass wir gerne weiter so leben wollten, wenn wir es könnten. Das glaube ich nicht. Ich denke, wir werden uns bewusst für einen ökologischeren Lebensstil entscheiden. Statt zu sagen: “Zu dumm, dass wir unsere gigantischen Vorstadtpaläste verlassen müssen, weil sie zu viel Energie verbrauchen,” werden wir diese Residenzen gar nicht mehr haben wollen, weil wir unser Bedürfnis erkennen und darauf reagieren werden, dass wir persönliche, eingebundene, heilige Wohnstätten in engen Gemeinschaften brauchen. Das gilt auch für alle anderen Teilbereiche des modernen konsumzentrierten Lebensstils. Wir werden das alles hinter uns lassen, weil wir die Leere und Hässlichkeit nicht mehr aushalten. Wir hungern nach spiritueller Nahrung. Wir hungern nach einem persönlichen, sinnvollen Leben in Verbundenheit mit der Welt. Es wird unsere eigene Wahl sein, unsere Energien in diese Richtung zu lenken. Wenn wir das machen, wird Gemeinschaft neu entstehen, weil diese spirituelle Nahrung nur als Geschenk zu uns kommen kann, als Teil eines Schenknetzwerks, an dem wir als Gebende und Nehmende teilhaben. Ob das dann über das Vehikel von käuflichen Dingen läuft oder nicht, es wird persönlich und einzigartig sein.

Wenn ich das Wort spirituell verwende, stelle ich es nicht dem Materiellen gegenüber. Ich halte wenig von jeglicher Philosophie oder Religion, deren Ziel es ist, das Materielle zu überwinden. Es ist nämlich genau diese Unterscheidung zwischen dem Spirituellen und dem Materiellen, die zu unserem verabscheuungswürdigen Umgang mit der materiellen Welt führt. In der heiligen Ökonomie wird die Welt als heiliger, nicht als weniger heilig behandelt. Sie ist materialistischer als unsere gegenwärtige Kultur – materialistisch im Sinn von einer tiefen und achtsamen Liebe für unsere Welt. Wenn ich also davon spreche, dass unsere spirituellen Bedürfnisse gestillt werden sollen, meine ich nicht, dass wir weiter am laufenden Band das billige, austauschbare Zeug produzieren sollen, das den Planeten umbringt, während wir meditieren, beten und weiter über Engel, den Geist und Gott labern. Ich meine damit, dass wir Beziehungen, Kreisläufe und das materielle Leben selbst als heilig behandeln sollten. Weil sie es sind.

1 Oder nicht einmal unsere saubere Wäsche: Unsere Unterwäsche gilt als unansehnlich. Diese Anschauung in Amerika spiegelt sich auf seltsame Weise im weitverbreiteten Verbot wider, die Wäsche im Freien zum Trocknen aufzuhängen.

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