Sacred Economics (Deutsch) – Einleitung

 

­Das Ziel dieses Buches ist es, Geld und Wirtschaft genauso heilig wie alles andere im Universum zu machen.

Heute verbinden wir mit dem Geld das Profane – und das mit gutem Grund. Wenn überhaupt etwas auf dieser Welt heilig ist, dann sicher nicht das Geld. Geld scheint ein Feind unserer guten Absichten zu sein. Das sehen wir jedes Mal, wenn der Gedanke “Ich kann es mir nicht leisten…” einen gutherzigen oder großzügigen Impuls unterdrückt. Geld scheint sich auch nicht mit Schönheit zu vertragen, wie das schon am abwertenden Begriff “Ausverkauf” deutlich wird. Geld scheint jegliche sinnvolle gesellschaftliche und politische Reform zu verhindern, weil mächtige Konzerne die Gesetzgebung zugunsten ihrer eigenen Profitmaximierung beeinflussen. Geld scheint die Erde zu zerstören: Wir plündern die Ozeane, die Wälder, den Boden, und missbrauchen Tiere und Pflanzen, um eine Gier zu befriedigen, die keine Grenzen kennt.

Spätestens seit Jesus die Geldwechsler aus dem Tempel warf, scheint klar, dass Geld etwas Unheiliges an sich hat. Wenn Politikern das Geld wichtiger ist, als das Wohl der Menschen, dann nennen wir sie korrupt. Wir assoziieren Geld ganz selbstverständlich mit Adjektiven wie “schmutzig” oder “dreckig”. Mönche sollen möglichst wenig damit zu tun haben: “Ihr könnet nicht Gott dienen und dem Mammon.”

Zugleich lässt sich nicht leugnen, dass dem Geld auch eine seltsame Magie innewohnt: die Macht, menschliches Verhalten zu ändern und menschliches Tun zu koordinieren. Von alters her staunten Denker darüber, wie nichts als ein reines Zeichen auf einer Metallscheibe oder einem Stückchen Papier diesen Dingen so große Macht verleihen kann. Aber wenn man die Welt rundherum ansieht, fällt es schwer, nicht zu dem Schluss zu kommen, dass die Magie des Geldes eine teuflische ist.

Wenn wir Geld in etwas Heiliges verwandeln wollen, wird es also einer gewaltigen Revolution, einer Transformation der grundlegenden Eigenschaften von Geld bedürfen. Es wird nicht reichen, wenn wir unsere Einstellung gegenüber dem Geld ändern, wie uns manche Gurus und Selbsthilfegruppen glauben machen. Wir werden auch neue Arten von Geld schaffen, die diese veränderte Grundhaltung ausdrücken und verstärken. “Die Heilige Ökonomie” beschreibt dieses neue Geld und die damit einhergehende neue Wirtschaftsform. Das Buch zeichnet auch die Metamorphose unserer Identität als Menschen nach, die sowohl Ursache als auch Folge der Transformation des Geldes ist. Die neue Geisteshaltung, von der ich spreche, rührt an den Kern dessen, was es bedeutet, Mensch zu sein: Was ist der Sinn des Lebens? Welche Rolle spielen wir Menschen auf diesem Planeten? In welcher Beziehung stehe ich zu den anderen Menschen und zur Natur? Was bedeutet es eigentlich, ein Individuum zu sein, was bedeutet “Ich”? Wir erleben Geld (und Eigentum) fast als einen erweiterten Teil von uns selbst; daher verwenden wir hier auch das Pronomen “mein”, mit dem wir auch den eigenen Arm oder Kopf bezeichnen. Mein Geld, mein Auto, meine Hand, meine Leber. Wir erleben es wie eine körperliche Verletzung, wenn wir beraubt oder “übers Ohr gehauen” worden sind.

Weil Geld so sehr Teil unserer Identität und so zentral für das Funktionieren unserer Welt ist, hätte eine Transformation vom profanen zum heiligen Geld tatsächlich weitreichende Folgen. Aber was bedeutet heilig in Bezug auf Geld – oder überhaupt: Was heißt heilig? In einem grundlegenden Sinn meint es das Gegenteil dessen, was man mittlerweile unter dem Begriff heilig versteht. Über tausende Jahre hinweg wurden Begriffe wie “heilig”, “geweiht” und “göttlich” zunehmend verwendet, um etwas zu beschreiben, das im Gegensatz zur Natur, zur Welt und zum Körperlichen steht. Vor drei- oder viertausend Jahren verließen die Götter die Seen, Wälder, Flüsse und Berge und wurden – statt selbst der Inbegriff von Natur zu bleiben – im Himmel zu kaiserlichen Herrschern über die Natur. Als sich das Göttliche von der Natur trennte, wurden die weltlichen Angelegenheiten unheilig. Der Mensch war nicht länger ein lebendiges Wesen, sondern wurde zu einer profanen Hülle, einem Gefäß für den Geist reduziert. Diese Vorstellung gipfelte einerseits im kartesianischen Bewusstseinsstäubchen, das die Welt beobachtet, ohne an ihr teilzunehmen, und parallel dazu bei Newton im Uhrmacher-Gott, der dasselbe tut. Göttlich zu sein bedeutet seither übernatürlich und immateriell zu sein. Wenn Gott überhaupt in die Welt eingreift, dann über Wunder – göttliche Einmischungen, die die Naturgesetze verletzen oder aufheben.

Und doch soll es gerade dieser abgespaltene, abstrakte “Geist” sein, der die Welt belebt. Fragt man eine religiöse Person, was sich ändert, wenn jemand stirbt, dann wird sie sagen, dass die Seele den Körper verlassen hat. Fragt man sie, wer den Regen fallen und wer den Wind wehen lässt, wird sie antworten: Gott. Zwar wurde Gott von Galileo und Newton scheinbar aus diesen alltäglichen Abläufen herausgenommen, indem sie das Geschehen in der Welt zum Uhrwerk in einer gigantischen Maschine aus Kräften und Masse erklärten; trotzdem brauchte es immer noch einen Uhrmacher, der es zu Beginn einmal aufgezogen hat, der das Universum mit der Energie versorgt hat, die seither alles bewegt. Diese Vorstellung haben wir auch heute noch, sie heißt jetzt Big Bang Theorie: Auch hier ist ein ursprüngliches Ereignis die Quelle der negativen Entropie, durch welche die Bewegung und das Leben ermöglicht werden. Jedenfalls wird auch in unserer Kultur der Geist als etwas Eigenständiges gesehen. Er ist nicht von dieser Welt, und doch kann er das Stoffliche auf wundersame Weise beeinflussen, er belebt die Materie sogar und lenkt sie auf mysteriöse Weise.

Wie ironisch und gleichzeitig wie bezeichnend: Das einzige auf diesem Planeten, das der früheren Vorstellung vom Göttlichen am nächsten kommt, ist ausgerechnet das Geld. Es ist eine unsichtbare, unsterbliche Kraft, die alles umgibt und lenkt, allmächtig und uneingeschränkt, eine “unsichtbare Hand”, die, wie man sagt, die Welt regiert. Unser Geld heute ist abstrakt – höchstens Zeichen auf einem Stück Papier, aber meistens überhaupt nur mehr Bits im Computer. Es existiert in einer vom Stofflichen abgehobenen Sphäre. Dort bleibt das Geld unberührt von den wichtigsten Naturgesetzen: Es verfällt und verrottet nicht wie alle anderen Dinge, sondern es bleibt beständig und unverändert in seinen Tresoren oder im Computer, und es wächst dank der Zinsen mit der Zeit immer weiter. Ewige Haltbarkeit und immerwährendes Wachstum sind seine Merkmale, die beide grundsätzlich widernatürlich sind. Ein natürliches Element, das diesen Eigenschaften am nächsten kommt, ist Gold, das nicht rostet, nicht matt wird und nicht verdirbt. Früher wurde Gold daher für beides verwendet, als Geld und als Symbol für das Göttliche, unzerstörbar und unveränderbar.

Die göttliche Eigenschaft des Geldes, abstrakt und jenseits der realen stofflichen Welt, gipfelte in den frühen Jahren des 21. Jahrhunderts, als die Finanzwirtschaft ihre Verankerung in der Realwirtschaft verlor und eine eigene Dynamik entwickelte. Die unvorstellbaren Reichtümer in der Wall Street hatten keinen Bezug zu irgendeiner materiellen Produktion mehr, sie existierten in einer Parallelwelt.

Die Finanziers schauten herab von ihren olympischen Höhen und nannten sich selbst die Herrscher des Universums. Mit der Macht des Gottes, dem sie dienten, brachten sie den Menschen Glück oder Verderben, sie versetzten im wörtlichen Sinne Berge, rodeten Wälder, änderten den Lauf von Flüssen, und sie entschieden über den Aufstieg und Niedergang von Nationen. Das Geld erwies sich jedoch bald als launischer Gott. Während ich diese Zeilen schreibe, scheinen die Rituale wirkungslos zu sein, mit denen die Finanzpriesterschaft immer verzweifelter den Gott Geld zu besänftigen versucht. Wie die Geistlichkeit einer untergehenden Religion fordern sie von ihren Anhängern immer größere Opfer, während sie ihre missliche Lage entweder auf die Sünden (gierige Bankiers, verantwortungslose Konsumenten) oder sie auf die unergründlichen Launen Gottes (den Finanzmärkten) zurückführen. Aber manche haben schon begonnen, die Priester selbst zu beschuldigen.

Was wir Rezession nennen, hätte eine frühere Kultur vielleicht damit erklärt, dass Gott die Welt im Stich gelassen hat. Geld verschwindet, und mit ihm eine andere Eigenschaft des Geistes: die Kraft, die das menschliche Tun belebt. Während dies geschrieben wird, gibt es überall auf der Welt Maschinen, die still stehen. Fabriken haben zugesperrt, Baumaschinen stehen verlassen, Parks und Büchereien werden geschlossen, und Millionen verlieren ihre Wohnungen und hungern, während ganze Wohnblöcke leer stehen und das Essen in den Supermärkten verrottet. Wo doch aber alles immer noch vorhanden ist, was man an menschlicher Arbeitskraft und Material braucht, um Häuser zu bauen, Essen zu verteilen und Fabriken zu betreiben. Doch etwas Immaterielles, der belebende Geist ist entwichen. Was nicht mehr da ist, ist das Geld. Das was als einziges fehlt, ist so substanzlos (als Elektronen im Computer), dass man kaum sagen kann, es existierte überhaupt. Und doch ist es so mächtig, dass die Produktivität der Menschen ohne Geld zum Erliegen kommt. Auch auf der persönlichen Ebene können wir sehen, wie demotivierend es ist, wenn das Geld fehlt. Denken Sie nur an das Stereotyp vom arbeitslosen Mann, der fast pleite in seinem Unterhemd vor dem Fernsehapparat lümmelt, mit dem Bier in der Hand, kaum fähig aufzustehen. Geld belebt scheinbar nicht nur Maschinen, sondern auch Menschen. Ohne Geld sind wir mut- und antriebslos.

Uns ist nicht bewusst, dass unsere Vorstellung vom Göttlichen einen Gott erschaffen hat, der zu dieser Vorstellung passt, und wir haben ihm die Herrschaft über die Erde überlassen. Als wir Seele und Körper, Geist und Materie, Gott und Natur voneinander trennten, unterwarfen wir uns der Herrschaft einer Macht, die seelenlos, entfremdend, gottlos und unnatürlich ist. Wenn ich also das Geld heilig machen möchte, rufe ich keine höhere Macht an, die den leblosen, profanen Objekten der Natur Heiligkeit einflößen soll. Ich beruge mich auf eine frühere Zeit vor der Trennung Geist und Materie, als noch allen Dingen Heiligkeit innewohnte.

Und was ist nun das Heilige? Es hat zwei Eigenschaften: Einzigartigkeit und Bezogenheit. Ein heiliges Objekt oder Wesen ist einzigartig und daher unendlich wertvoll. Es ist unersetzlich. Es hat kein Äquivalent und daher keinen endlichen “Wert”, denn Wert kann nur durch Vergleich bestimmt werden. Geld ist wie alle Maßeinheiten eine Norm, die Vergleiche ermöglicht.

Das Heilige ist einzigartig – trotzdem ist es auch untrennbar von dem, was an seiner Entstehung beteiligt war, von seiner Geschichte, und vom Platz, den es unter allem, was ist, einnimmt. Sie mögen jetzt denken, dass eigentlich alle Dinge und alle Beziehungen heilig sind. Das könnte stimmen, aber selbst wenn wir das vom Kopf her für richtig halten, können wir es doch nicht immer fühlen. Manches erscheint uns heilig, anderes nicht. Das, was wir heilig nennen, soll uns an die Heiligkeit in allen Dingen erinnern. Unsere Welt heute wurde ihrer Heiligkeit beraubt. Nur sehr weniges gibt uns das Gefühl, in einer heiligen Welt zu leben. Standardisierte Massenware, Reihenhäuser, identisch verpacktes Essen, und anonyme Beziehungen zu Menschen, die hinter ihren Rollen in Institutionen verschwinden – all das stellt die Einzigartigkeit der Welt in Abrede. Wir wissen nicht, woher die Sachen kommen, Beziehungen sind anonym, und wir sehen nicht die wahren Konsequenzen der Produktion und der Entsorgung von Gütern – das alles hindert uns daran, eine Bezogenheit zu spüren. Daher können wir in unserem Alltag Heiligkeit nicht erleben. Von allem, was uns die Erfahrung von Einzigartigkeit und Bezogenheit verwehrt, steht natürlich das Geld an erster Stelle. Standardisierung war der ursprüngliche Grund für die Verwendung von Münzen. Jede Drachme, jeder Stater, jeder Schekel und jeder Yuan sollten funktionell identisch sein. Als ein universelles und abstraktes Tauschmittel ist Geld noch dazu von seinen Ursprüngen, von seiner Verbindung zum Stofflichen, abgeschnitten. Ein Dollar ist ein Dollar, gleichgültig von wem man ihn bekommen hat. Es erschiene uns kindisch, wenn jemand Geld, das er vor einem Monat bei der Bank eingezahlt hat, abhebt, und sich beschwert: “Hey, das ist nicht das selbe Geld, das ich eingezahlt habe! Das sind ja andere Scheine!”

Also ist ein monetarisiertes Leben unausweichlich auch ein profanes Leben, weil das Geld und die Dinge, die man damit kaufen kann, jene Eigenschaften nicht besitzen, die etwas heilig machen. Was ist der Unterschied zwischen einer Tomate aus dem Supermarkt und einer geschenkten aus Nachbars Garten? Was ist der Unterschied zwischen einem Fertigteilhaus und einem Haus, das unter meiner Mitwirkung von jemandem gebaut wurde, der mich und mein Leben kennt? Der Unterschied sind die persönlichen Beziehungen, die das Verhältnis zwischen den jeweils Gebenden und Empfangenden einzigartig machen. Wenn ein Leben voll von solchen Dingen ist, die mit Sorgfalt hergestellt wurden, und die alle ihre Geschichten haben, Dingen, die wir verbinden können mit uns bekannten Menschen und Orten, dann ist das ein reiches, ein nährendes Leben. Heute dagegen leben wir in einer Wüste von Gleichförmigkeit, von Unpersönlichkeit. Selbst nach Kundenwunsch angefertigte Produkte sind, sofern sie massenproduziert wurden, nur leicht veränderte Variationen aus immergleichen Standardbauteilen. Diese Gleichförmigkeit stumpft die Seele ab und macht unser Leben billig.

Die Gegenwart des Heiligen wahrzunehmen ist wie die Rückkehr in ein Zuhause, das immer da war; wie eine Wahrheit, die immer existiert hat. Das kann passieren, wenn ich ein Insekt oder eine Pflanze beobachte, ein Konzert aus Vogelgezwitscher oder Froschrufen höre, wenn ich Schlamm zwischen meinen Zehen spüre, ein unglaublich kunstvoll gefertigten Gegenstand bewundere, wenn ich die scheinbar unmöglich zu koordinierende Komplexität einer Zelle oder eines Ökosystems begreife, eine Gleichzeitigkeit oder ein Zeichen in meinem Leben erkenne, wenn ich Kinder glücklich spielen sehe, oder wenn mich das Werk eines Genies berührt. So außergewöhnlich diese Erfahrungen sein mögen, sie sind doch durch nichts vom Rest unseres Lebens getrennt. Ihre Kraft kommt gerade daher, dass sie uns einen flüchtigen Blick in eine wirklichere Welt erlauben, eine heilige Welt, die unserer eigenen zugrunde liegt und auf sie einwirkt. Was ist dieses “Zuhause, das immer da war”, diese “Wahrheit, die immer existierte”? Es ist die Wahrheit von der Einheit oder Verbundenheit aller Dinge; es ist das Gefühl, teilzuhaben an etwas, das größer ist als man selbst, und das zugleich dieses “Selbst” ist. In der Ökologie gibt es den Begriff der Interdependenz: Das Überleben aller Wesen ist abhängig von allen anderen Lebewesen, die sie umgeben, und dieses Netzwerk der gegenseitigen Abhängigkeit weitet sich letztlich auf den ganzen Planeten aus. Das Aussterben einer Art verletzt unsere eigene Ganzheit, unsere eigene Gesundheit, unser eigenes Selbst; es geht etwas von unserem ureigensten Sein verloren.

Wenn das Heilige das Tor zum grundlegenden Einssein aller Dinge ist, dann ist es genauso das Tor zur Einzigartigkeit und Besonderheit jedes einzelnen Dings. Ein heiliges Objekt ist einmalig; sein einzigartiges Wesen kann nicht als Mischung aus verschiedenen allgemeinen Eigenschaften begriffen werden. Deshalb beraubt die reduktionistische Wissenschaft die Welt scheinbar ihrer Heiligkeit, wenn sie versucht, jedes Ding als Kombination aus einer Handvoll allgemeiner Bestandteile zu erklären. Diese Vorstellung spiegelt sich in unserem Wirtschaftssystem wider, das sich aus allgemeinen Komponenten zusammensetzt wie standardisierten Waren, Stellenbeschreibungen, Prozessen, Daten, Vorgaben und Ergebnissen, und – am allgemeinsten und abstraktesten – dem Geld. Das war früher nicht so. Stammeszugehörige sahen einander nicht vor allem als einer bestimmten Klasse zugehörig, sondern als einzigartige, beseelte Individuen. Selbst Felsen, Wolken und scheinbar identische Wassertropfen hielt man für fühlende, einzigartige Wesen. Von Menschenhand gefertigte Produkte waren auch einzigartig, indem sie sich durch ihnen eigene Unregelmäßigkeiten voneinander unterschieden – die Handschrift ihres Erzeugers. Hier war der Zusammenhang zwischen den beiden Eigenschaften des Heiligen, Verbundenheit und Einzigartigkeit: Etwas Einzigartiges behält das Merkmal seiner Herkunft, es nimmt seinen unverwechselbaren Platz im großen Ganzen ein, seine Existenz ist bedingt durch den Rest der Schöpfung. Standardisierte Objekte, Waren, sind uniform und nicht in diese Beziehungen eingebettet.

In diesem Buch werde ich eine Vision beschreiben, in der das Geldsystem und die Wirtschaft heilig sind und einen Rahmen für die wechselseitige Bezogenheit und Einzigartigkeit aller Dinge schaffen. Nichts wird mehr vom natürlichen Urgrund getrennt sein, weder tatsächlich noch in der Wahrnehmung. Diese Vision vereint die so lange getrennten Sphären von Mensch und Natur. Es ist eine Erweiterung des Ökosystems, die alle Gesetze der Natur berücksichtigt und ihre ganze Schönheit beinhaltet.

Innerhalb jeder Institution in unserer Zivilisation, egal wie hässlich oder korrupt, liegt der Keim für etwas Schönes: der gleiche Ton, nur eine Oktave höher. Geld ist dabei keine Ausnahme. Sein ursprünglicher Zweck war es einfach, zwischen den Fähigkeiten und Bedürfnissen von Menschen zu vermitteln, damit wir alle in größerem Wohlstand leben können. Wie es dazu kam, dass Geld nun aber Knappheit statt Fülle und Trennung statt Verbundenheit schafft, ist eine der Fragen, denen dieses Buch nachgehen wird. Was auch immer inzwischen daraus geworden ist – dieses ursprüngliche Ideal von Geld als Vermittler zwischen Fähigkeiten, zwischen Gaben, lässt uns einen Blick darauf erhaschen, was Geld eines Tages wieder heilig machen wird. Wir spüren, dass der Austausch von Geschenken ein heiliges Ereignis ist, deswegen beschenken wir einander instinktiv im Rahmen von Zeremonien. Heiliges Geld wird in Zukunft kein Tausch- sondern ein Schenkmittel sein. Es wird die globale Wirtschaft mit jenem Geist des Schenkens durchdringen, der in Stammes- und Dorfkulturen vorherrschte und auch heute noch dort zu finden ist, wo wir außerhalb der geldbasierten Wirtschaft etwas füreinander tun.

Die Heilige Ökonomie beschreibt diese Zukunft und zeichnet einen praktischen Weg, um dorthin zu gelangen. Vor langer Zeit habe ich die Lust verloren, Bücher zu lesen, die einen Aspekt unserer Gesellschaft kritisieren, ohne eine positive Alternative aufzuzeigen. Dann hatte ich es satt, Bücher zu lesen, die zwar eine positive, aber scheinbar unerreichbare Alternative anzubieten hatten: “Wir müssen die CO2 Emissionen um 90% reduzieren.” Dann wurde ich müde, Bücher zu lesen, die sogar plausible Lösungen anzubieten hatten, die aber nicht beschrieben, wie ich selbst etwas dazu beitragen konnte. Die Heilige Ökonomie behandelt alle vier Ebenen: Das Buch analysiert, was mit dem Geldsystem grundsätzlich schief gelaufen ist; es beschreibt eine schönere Welt, die auf einer anderen Art von Geld und einer anderen Wirtschaft beruht; es erklärt, welche gemeinsamen Anstrengungen nötig sind, um diese Welt zu schaffen, und mit welchen Maßnahmen man das erreichen kann; und es lotet die persönliche Dimension dieser Transformation der Welt aus, den Wandel von Identität und Sein, den ich “im Geist des Schenkens leben” nenne.

Eine Geldreform ist kein Allheilmittel für die Welt, und sie sollte auch keine Priorität über andere Bereiche des Aktivwerdens haben. Wenn wir nur Bits im Computer neu kombinieren, wird das nichts an der ganz realen materiellen und sozialen Verwüstung auf unserem Planeten ändern. Dennoch kann heilende Arbeit auf jedem anderen Gebiet nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn gleichzeitig auch das Geld transformiert wird, so eng ist es mit unseren sozialen Strukturen und Lebensgewohnheiten verflochten. Die wirtschaftlichen Veränderungen, die ich beschreibe, sind Teil einer alles umfassenden Wende, die keinen Lebensbereich unberührt lässt.

Die Menschheit beginnt erst, das wahre Ausmaß der gegenwärtigen Krise zu begreifen. Wenn die Transformation der Wirtschaft, wie ich sie beschreibe, wunderlich erscheint, dann deswegen, weil wir ein Wunder brauchen, um unsere Welt zu heilen. In allen Bereichen, vom Geld über die Umwelt, über Politik und Technologie bis hin zur Medizin brauchen wir Lösungen, die über das hinausgehen, was zur Zeit möglich scheint. Zum Glück wächst das Wissen um unsere Möglichkeiten, während unsere alte Welt auseinanderfällt, und mit dem Wissen wachsen unser Mut und unsere Bereitschaft zu handeln.

Die heutige Konvergenz der Krisen (Geld-, Energie-, Erziehungs-, Gesundheits-, Wasser-, Boden-, Klima-, Politik- und Umweltkrise etc.) ist eine Geburtskrise, die uns aus der alten Welt in eine neue befördert. Diese Krisen dringen unvermeidbar in unser persönliches Leben ein. Unsere Welt fällt auseinander, und auch wir werden in eine neue Welt, in eine neue Identität hineingeboren. Deshalb spüren so viele Menschen die spirituelle Dimension der planetarischen Krise, ja sogar der Wirtschaftskrise. Wir ahnen, dass der “Normalzustand” nicht mehr zurückkommen wird, dass wir dabei sind, in einen neuen Normalzustand hineingeboren zu werden: eine neue Art von Gesellschaft, eine neue Beziehung zur Erde, eine neue Wahrnehmung dessen, was es heißt, Mensch zu sein.

Ich widme meine ganze Arbeit dieser schöneren Welt, von deren Möglichkeit uns unsere Herzen erzählen. Ich sage “unsere Herzen”, weil unser Verstand diese schönere Welt manchmal für unmöglich hält. Unser Verstand bezweifelt, dass sich die Umstände jemals grundlegend von dem unterscheiden werden, was wir bisher erfahren und gelernt haben. Vielleicht hat Sie eine Welle von Zynismus, Verachtung oder Verzweiflung überkommen, als Sie meine Beschreibung einer heiligen Ökonomie gelesen haben. Vielleicht wollten Sie meine Worte als hoffnungslos idealistisch abtun. Ich selbst war auch versucht, meine Beschreibung abzumildern, sie plausibler, verantwortungsvoller zu machen, damit sie besser zu den heruntergeschraubten Erwartungen passt, die wir an das Leben und daran, wie die Welt sein kann, stellen. Aber eine solche Abschwächung wäre nicht die Wahrheit gewesen. Ich werde die Werkzeuge meines Verstandes benutzen, um auszudrücken, was in meinem Herzen liegt. Mein Herz weiß, dass eine Wirtschaft und Gesellschaft von einer solchen Schönheit möglich ist, und wir können sie hervorbringen – alles andere ist unserer nicht würdig. Sind wir so gebrochen, dass wir uns gar nicht zutrauen, eine heilige Welt anzustreben?

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