Kapitel 17: Resümee und Aktionsplan

Erst ignorieren sie dich,
dann lachen sie dich aus,
dann bekämpfen sie dich,
dann gewinnst du.

(Mohandas Gandhi)

Bevor ich die mit der heiligen Ökonomie einhergehenden Veränderungen im persönlichen wirtschaftlichen Denken und in der Praxis genauer beschreibe, werde ich ihre zentralen makroökonomischen Elemente zusammenfassen. Manche zeichnen sich schon ab, andere gelten im politischen Diskurs noch immer als nicht salonfähig. Hier braucht es noch eine Verschärfung der Krise, dann wird das Undenkbare zum Common Sense.

Der Übergang, den ich skizziere, ist evolutionär. Er sieht keine Enteignung von Privateigentum, keine Zerschlagung aller heutigen Institutionen vor, sondern deren Transformation. Wie die folgende Zusammenfassung zeigt, ist dieser Wandel schon im Gange, oder er setzt in bestehenden Institutionen ein.

Der oder die Lesende mag feststellen, dass die meisten dieser Entwicklungen – sofern sie nicht ganz aus dem Denkschema fallen – im politischen Spektrum links anzusiedeln sind. Das kommt daher, weil sie auf eine graduelle Umverteilung des Reichtums von den Wohlhabenden zu allen anderen abzielen. Während die betuchten Klassen immer höhere und die Arbeiterschicht niedrigere Zinsen fordern, schlage ich in diesem Buch negative Zinsen vor. Während die Linken von sozialen Wohlfahrtsprogrammen begeistert sind, schlage ich eine allgemeine sozialen Dividende vor. Während es im Interesse der Unternehmer liegt, die Umweltschutzbestimmungen und sozialen Standards aufzuweichen, schlage ich die Wiederaneignung der Commons vor. Einzig die Aufhebung der Einkommenssteuer fällt aus diesem Rahmen. Sie wird die kleine Gruppe der Wohlhabenden begünstigen, die unternehmerisch produktiv sind und nicht jene, die das Geld kontrollieren und durch ihr Eigentum von ökonomischen Renten profitieren.

1. Eine Negativzinswährung

Motivation: Ein Negativzins auf Einlagen und eine Währung, die mit der Zeit an Wert verliert, kehren die Wirkung von Zinsen um. Das ermöglicht Wohlstand ohne Wachstum, begünstigt systematisch die gerechte Verteilung von Reichtum, und beendet die Vorwegnahme künftiger Erträge, sodass wir nicht länger dazu gedrängt werden, zugunsten kurzfristiger Gewinne Hypotheken auf unsere Zukunft aufzunehmen. Außerdem entsprechen Negativzinsen viel mehr der Realität, weil in der Welt auch alle Dinge verfallen und irgendwann an ihren Ursprung zurückkehren. Geld wird nicht mehr eine trügerische Ausnahme von diesem Naturgesetz sein. Schließlich repräsentiert Geld gewissermaßen die kumulierte Macht aus Jahrtausenden der technologischen Entwicklung, die das gemeinsame Erbe der Menschheit ist. Also ist es ungerecht, dass jemand nur von Geldbesitz profitieren kann, wie das im herrschenden System in Form von risikofreien Positivzinsen möglich ist.

Übergang und Strategie: Wir standen 2009 kurz vor der Einführung von Schwundgeld, als die Zentralbanken die Leitzinsen fast auf null drückten und damit liebäugelten, diese Untergrenze von 0% zu durchbrechen. Heute ist die Ökonomie in einer blutleeren Erholungsphase, aber die zugrundeliegenden Probleme von Stagnation und Verschuldung sind geblieben.1 Jede neue Krise und jeder neue Notverkauf eröffnen die Möglichkeit, nicht rückzahlbare Schulden mit Schwundgeld zu begleichen, womit die finanzielle Infrastruktur gerettet würde, ohne die Ungleichverteilung von Wohlstand weiter zu verschärfen. Darüber hinaus, wenn wie in Japan traditionelle finanzielle Anreize und keynesianische Steuervergünstigungen offensichtlich fehlschlagen, dann können Zentralbanken kaum ignorieren, dass der naheliegende nächste Schritt eine Senkung der Zinsen unter null sein muss. Um Währungskriege zu verhindern, sollte das in Form einer koordinierten Vorgehensweise aller Staaten passieren oder durch eine globale Währung verankert werden.

Die Federal Reserve hat momentan nicht die Befugnis, Negativzinsen einzuheben oder Banknoten auszugeben, deren Wert verfällt. Richtigerweise liegt diese Befugnis in jedem Land bei den gesetzgebenden Instanzen. Die Zeit ist reif, dass diese Idee in den ökonomischen und politischen Diskurs Einzug findet, jetzt, wo sich die Zentralbanken Sorgen machen über die Wirkungslosigkeit ihrer finanziellen Werkzeuge. Die gegenwärtige Stagnation der Geldkreisläufe zeigt, dass die Absenkung der Zinssätze auf null die Kreditvergabe nur dann stimuliert, wenn die Aussicht auf signifikantes Wirtschaftswachstum besteht. Die neue Runde quantitativer Lockerung wird das nur bestätigen, sobald dann die Überschussreserven steigen. Ohne Wachstum würden Banken das Geld zu einem Zinssatz von null eher halten, als es über Kredite in die Wirtschaft einzubringen. Aber würden sie es auch bei einem Zinssatz von -2% oder -5% halten wollen?

Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben: Außer für die Klasse der Investierenden wird sich der alltägliche Umgang mit Geld nicht ändern. Auch wenn es für die Besitzenden schwer sein wird, sich das vorzustellen, leben die meisten Menschen heute von einem Gehaltszettel zum nächsten und haben selten mehr als ein paar Monatsgehälter als Erspartes auf die Seite gelegt. Für die Wohlhabenderen wäre es immer noch möglich zu sparen, aber der Wert des Ersparten würde über die Zeit langsam abnehmen, außer bei Risikoinvestitionen. Es wird keine Möglichkeit bestehen, Geld ohne Risiko zu vermehren, “das Geld für sich arbeiten” zu lassen. Sogar für Staatsanleihen wird man 0% Zinsen oder weniger bekommen. Zu Finanzierung von großen Anschaffungen – privat oder geschäftlich – wird man, statt auf Spareinlagen zurückzugreifen, Kredite mit niedrigem Zinssatz oder ganz ohne Zinsen aufnehmen. (Das passiert jetzt sowieso auch schon.) Die Unternehmer werden Zugang zu Investmentkapital haben, das von ihnen nicht verlangt, einen hohen Anteil ihrer zukünftigen Gewinne in den Dienst der Schuldenrückzahlung zu stellen. Dadurch gäbe es den Imperativ “wachse oder stirb” nicht mehr, der das heutige Wirtschaftsleben dominiert.

2. Abschaffung der ökonomischen Renten und Kompensation für den Raubbau an den Commons

Motivation: Die Polarisierung von Reichtum ist unvermeidlich, wenn Menschen profitieren dürfen, indem sie einfach besitzen, ohne irgendetwas zu produzieren oder sonst einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Diese Profite, auch ökonomische Renten genannt, kommen jenen zugute, die über Land, das elektromagnetische Spektrum, Mineralrechte, Ölreserven, Patente und viele anderen Formen von Eigentum verfügen. Weil diese Formen von Eigentum entweder schon vor den Menschen existierten oder kollektive Produkte der menschlichen Kultur sind, sollten sie nicht irgendeiner Privatperson gehören können, wenn sie noch dazu nicht zum Wohl der Allgemeinheit oder des Planeten verwendet werden.

Außerdem ist es heute möglich mit der Ausbeutung von Commons wie Biodiversität, Wasser, Boden, Fischbestände in den Ozeanen usw. Profit zu machen. Diese gehören rechtmäßig uns allen, und sie sollten nur dann angetastet werden, wenn wir uns alle darauf einigen, und wenn es zum Wohle aller ist.

Übergang und Strategie: Manche Staaten und Nationen verlangen schon jetzt eine Bodenwertsteuer, und andere haben Öl und Mineralien verstaatlicht. Bolivien und Alaska zum Beispiel erklärten ihre Ölförderrechte zum öffentlichen Eigentum. Jetzt können Ölfirmen nur mehr durch ihre Leistung, also die Ölförderung, nicht aber direkt durch den Besitz von Öl Geld verdienen. Je aussichtsloser die Situation für die Arbeitnehmer, desto attraktiver wird es, den Schwerpunkt der Steuerlast weg von der Arbeit hin zum Eigentum zu verschieben. Schließlich zeigen die unlösbaren Konflikte um Wasserrechte, dass es höchste Zeit geworden ist, die Bewahrung von Naturressourcen direkt im Geldsystem zu verankern.

Die in diesem Buch beschriebenen Maßnahmen wie die Bodenwertsteuer nach Henry George, die Verpachtung von Mineralrechten, oder die Verwendung von Trägern ökonomischer Renten, zur Absicherung von Währungen, sind Möglichkeiten, um die ökonomischen Renten den Menschen zurückzugeben, dass Private nur Profit machen können, wenn sie ihr Eigentum sinnvoll nutzen, und nicht, wenn sie einfach nur besitzen. Alles, was aus Commons kommt, sollte mit Gebühren belegt oder besteuert werden. Geistiges Eigentum kann in die Commons zurückfließen, indem die Laufzeiten von Urheberrecht und Patenten verkürzt werden. Dadurch würde das kulturelle Umfeld, in welchem die Ideen entstehen, entsprechend gewürdigt. Wir müssen auch neue Quellen des Reichtums für die Öffentlichkeit bewahren, wie zum Beispiel das Genom, das elektromagnetische Spektrum und neue “Commons” wie das Internet. Ihren Gebrauch sollten wir nur jenen erlauben, die sie zum Wohle der Gesellschaft und des Planeten verwenden.

Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben: Mit einer Verlagerung der Steuern auf Eigentum und Ressourcen werden die Umsatz- und Einkommenssteuer verringert oder aufgehoben, und es wird ein starker wirtschaftlicher Anreiz zur Ressourcenschonung geschaffen. Weil ökonomische Renten jene bereichern, die sowieso schon besitzen, wird deren Abschaffung zur gerechteren Verteilung des Reichtums beitragen. Durch die Erleichterung des freien Zugangs zu geistigem Eigentum werden die “Rohstoffe” für künstlerisches und intellektuelles Schaffen erschlossen. Wenn Lizenzgebühren und andere Einschränkungen durch Privateigentum wegfallen, wird es attraktiver, Kulturgüter zu schaffen, die nicht auf Profit ausgerichtet sind.

3. Internalisierung der sozialen und ökologischen Kosten

Motivation: Es ist heute möglich, Grundwasservorräte aufzubrauchen, ohne der Gesellschaft etwas dafür zu bezahlen. Genauso können wir an der Kapazität der Erde, Abfälle aufzunehmen und abzubauen, an der Kapazität der Geosphäre, Kohlenstoff zu absorbieren, und an der Kapazität des menschlichen Körpers, mit toxischen Schadstoffen umzugehen, Raubbau betreiben. Heute verursachen Umweltverschmutzung und andere Formen der Naturzerstörung Kosten, die meist von der Gesellschaft und von späteren Generationen getragen werden, nicht aber von den Verursachern. Das ist nicht nur offenkundiges Unrecht, sondern stellt einen Anreiz zur weiteren Verschmutzung und Zerstörung dar.

Übergang und Strategie: Heute versucht man dem wirtschaftlichen Anreiz zur Umweltverschmutzung meist über Regulierung mit Geldstrafen für Übertretungen entgegenzuwirken. Aber das hat viele Nachteile, sowohl in der Praxis als auch in der zugrundeliegenden Theorie. Erst einmal wird so zwar ein Anreiz geschaffen, die Vorgaben zu erfüllen, nicht aber sie zu übertreffen. Außerdem erlaubt uns das nicht, eine Deckelung für die gesamten Emissionen eines speziellen Schadstoffs oder für den Verbrauch eines natürlichen Rohstoffs einzuführen. Aktuelle Vorschläge, diese Unzulänglichkeiten zu korrigieren, sind unter anderem der Emissionsrechtehandel und Ökosteuern. Viele solcher Entwürfe wurden vorgeschlagen und mancherorts auch umgesetzt. Der Emissionsrechtehandel (für Schwefeldioxid) hat ganz gut geholfen, den sauren Regen zu reduzieren, aber die CO2 Emissionen konnten damit kaum verringert werden. Das sind Schritte in die richtige Richtung, aber letztlich sollte jede Form von Verschmutzung und Ressoucenverbrauch Geld kosten.

Wir müssen für jeden Schadstoff und jeden natürlichen Rohstoff bestimmen, wie viel an Emissionen oder an Abbau der Planet und seine Bioregionen verkraften können. Die Rechte für Schadstoffemissionen oder Ressourcenabbau können dann nach verschiedenen Kriterien vergeben werden. In manchen Fällen wird es von Vorteil sein, durch zentrale Planung zu bestimmen, wer was tun und wie viel verbrauchen darf: Bauer A darf dem Fluss 400.000 Liter Wasser entnehmen, Bauer B 500.000 Liter, die Fabrik C 750.000 Liter und so weiter. Aber weil das zu ökonomischer Ineffizienz führt, werden wir in den meisten Fällen Steuern auf Verschmutzung und Ressourcen erheben oder Emissionsrechte handeln, damit ökonomische Anreize für Ressourceneffizienz und Reduzierung der Verschmutzung geschaffen werden. Noch besser wäre es, die Geschenke der Erde zur Basis unseres Geldsystems zu machen, indem wir die Währung mit den Ressourcen der Erde und ihrer Kapazität, Abfälle aufzunehmen und zu transformieren, decken.

Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben: Diese Maßnahmen beenden den Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie. Sie führen dazu, dass die besten wirtschaftlichen Entscheidungen gleichzeitig die besten Entscheidungen in ökologischer Hinsicht sind. Dadurch wird die Macht der unternehmerischen Innovationskraft in den Dienst des Planeten gestellt. Große neue Industriezweige werden entstehen, die auf Ressourcenschonung, Reduzierung von Verschmutzung und Entsorgung giftiger Abfälle spezialisiert sind. Produktion ohne Abfallentstehung wird zur Norm werden. Die hohen Rohstoffpreise werden kontinuierliche Fortschritte in der Miniaturisierung und Effizienzsteigerung anregen.

Billige Wegwerfprodukte werden nicht mehr rentabel sein. Dadurch werden gefertigte Güter teurer, aber auch haltbarer und besser reparierbar werden. Wir werden auf unsere Dinge besser aufpassen, sie gut warten und lange behalten. Große ressourcenintensive Güter wie Autos, Maschinen und bestimmte Werkzeuge und Geräte werden wir in der Nachbarschaft oder innerhalb anderer Gemeinschaften teilen. Wohngebiete werden kompakter sein, die Häuser kleiner, und in größeren Häusern werden Großfamilien oder andere Gemeinschaften jenseits der Kernfamilie wohnen.

So wie die Abschaffung der ökonomischen Renten verschieben auch diese Maßnahmen die Steuern weg vom Einkommen hin zu den Ressourcen, wodurch wir nicht für das besteuert werden, was wir beitragen, sondern für das, was wir nehmen. Schließlich werden Einkommen gar nicht mehr besteuert werden, was uns von der lästigen Dokumentationspflicht und der aufdringlichen staatlichen Überwachung befreit.

4. Wirtschaftliche Regionalisierung und Regiogeld

Motivation: Auf der ganzen Welt ist es zur Desintegration von Gemeinschaften gekommen, und die Menschen sehnen sich nach einer Rückkehr zu regionalen Wirtschaftskreisläufen, bei denen wir die Menschen, von denen wir abhängig sind, persönlich kennen. Wir möchten eine Verbindung zu den Menschen und Orten haben und nicht in einer anonymen globalen Monokultur treiben. Darüberhinaus setzt die globale Warenproduktion die Regionen in einen Wettbewerb zueinander, was eine Abwärtsspirale der Gehälter und der Umweltauflagen erzeugt. Wenn die Produktion und der wirtschaftliche Austausch regional sind, dann werden auch die Auswirkungen unserer Handlungen auf die Gesellschaft und die Umwelt viel klarer ersichtlich, und das verstärkt unser angeborenes Mitgefühl.

Übergang und Strategie: Der Trend zur regionalen Wirtschaft hat schon begonnen. Hohe Energiekosten und Umweltbewusstsein veranlassen die Wirtschaft dazu, mehr Lieferungen lokal zu beziehen, und Millionen von Konsumenten sind dabei, die gesundheitlichen Vorteile von regional produzierten, frischen Nahrungsmitteln zu entdecken. Überall haben Menschen große Sehnsucht nach einer Wiederanbindung an die Gemeinschaft, und manche Stadtregierungen oder Gemeinden lancierten schon Kampagnen für den regionalen Einkauf. Tausende Gemeinschaften rund um den Globus haben bereits Lokalwährungen herausgegeben, und obwohl diese heute nur ein Nischendasein fristen, bewirken sie, dass Menschen mit der Idee vertraut werden. Sie schaffen eine Vorlage für zukünftige Regionalwährungen, die von lokalen Regierungen unterstützt werden.

Die anderen Elemente der heiligen Ökonomie stehen in einer synergetischen Beziehung zur Regionalisierung. Die Internalisierung der Kosten wird die angebliche Wirtschaftlichkeit von Massenproduktion mit langen Transportwegen in vielen Fällen als reine Illusion entlarven. Die Abschaffung der ökonomischen Renten wird die obszönen Gehaltsunterschiede verringern, die jetzt zwischen reichen und armen Ländern bestehen.2 Diese beiden Faktoren werden eine teilweise Umkehrung der wirtschaftlichen Globalisierung herbeiführen, die in den letzten zweihundert Jahren stattgefunden hat. Inzwischen wird ein Geldsystem, das von Commons gedeckt ist, auf natürliche Weise politische und wirtschaftliche Souveränität stärken, weil ja viele der natürlichen, sozialen und kulturellen Commons von Natur aus lokal oder bioregional sind.

Die jüngsten Finanzkrisen zeigten, dass lokale Regierungen schnell einspringen und ihre eigene Währung erzeugen, sobald nationale Währungen nicht mehr funktionieren. Das passierte 2002 in Argentinien, es passierte beinahe 2009 in Kalifornien, und mit dem drohenden Zusammenbruch der Wirtschafts- und Währungsunion könnte in Europa bald eine bedeutende Regionalisierung der monetären Souveränität stattfinden und wieder zurück zu kleineren nationalen Einheiten führen. Während sich die Krise weiter verschärft, werden lokale Regierungen und kleinere Nationen die Chance haben, ihre wirtschaftliche Souveränität zurückzuerlangen, indem sie selbst Währungen herausgeben und sie durch Maßnahmen wie Kapitalverkehrskontrollen und Steuern auf Devisengeschäfte vor den globalen Finanzmärkten schützen. Regierungen können bei der Auftragsvergabe regionale Unternehmen bevorzugt behandeln. Zum Schluss können lokale und regionale Regierungen ihre Kreditsouveränität von der internationalen Finanz zurückfordern, indem sie öffentliche Banken und andere Institutionen zur Kreditvergabe gründen.

Wirtschaftsleben: Während viele Hightech-Produkte und Leistungen von Natur aus global sind, haben versteckte Subventionen und der politische Kurs über Jahrzehnte viele Dinge, die regional sein können und sollen, in die globale Warenwirtschaft gedrängt. In Zukunft werden diese wieder zurück in den Bereich der lokalen Produktion übergehen. Die meisten Nahrungsmittel, die wir essen, werden in den Bioregionen unserer direkten Umgebung wachsen. Häuser und viele andere Produkte werden aus lokal vorhandenen Materialien bestehen, man wird sie oft wiederverwenden und im kleineren Maßstab erzeugen. Kleine Städte werden eine wirtschaftliche Wiederbelebung erfahren, und in den Ortskernen werden sich wieder authentische lokale Unternehmen ansiedeln.

5. Soziale Dividende

Motivation: Tausende Jahre technologischer Errungenschaften haben es extrem einfach gemacht, das zum Leben Notwendige, das quantifizierbar ist, zu produzieren. Diese Errungenschaften, das Geschenk unserer Vorfahren, sollte der gemeinsame Besitz der gesamten Menschheit sein. Alle verdienen einen Anteil am Wohlstand, den sie möglich gemacht haben. Dasselbe gilt auch für den natürlichen Reichtum der Erde, den kein Mensch gemacht hat. Das herrschende ökonomische System zwingt uns, für das zu arbeiten, was uns schon gehört. Es ist gerechter, die Erträge aus der ökonomische Rente, aus Steuern auf Verschmutzung und so weiter (siehe oben Punkt 2 und 3) an alle Bürger in Form einer sozialen Dividende auszuschütten. Das würde auch dazu dienen, die Anhäufung von Reichtum auszugleichen und deflationäre Krisen zu verhindern. Die soziale Dividende wäre idealerweise so hoch, dass sie die Grundbedürfnisse abdeckt. Menschen könnten immer noch entscheiden, ob sie darüber hinaus noch Geld verdienen wollen. Das befreit die Arbeit vom Druck der Notwendigkeit. Menschen würden arbeiten, weil sie wollen, nicht weil sie müssen.

Übergang und Strategie: In Alaska gibt es schon eine soziale Dividende. Dort hat jeder Bürger Anteil an den staatlichen Erträgen aus dem Erdöl und erhält einen jährlichen Scheck über mehrere tausend Dollar. Die staatlichen Anreizzahlungen aus jüngster Zeit sind ein weiterer Vorbote für die soziale Dividende, die kommen wird. Ein weiteres schon existierendes Modell ist das Wohlfahrtssystem, das verspottet wird, wenn man in diesem Zusammenhang von “Ansprüchen” redet. Aber vielleicht sollten wir diesen Schimpfnamen beibehalten und den Anspruch auf alle Bürger ausdehnen. Haben wir nicht schließlich alle einen Anspruch auf den unglaublichen Reichtum, den uns die Erde und unsere Vorfahren vermacht haben?

Schon bestehende Bezugsrechte wie Essensmarken, das öffentliche Gesundheitssystem, Kinderbeihilfe, soziale Wohlfahrtsprogramme, Arbeitslosengeld und Konjunkturspritzen können ausgeweitet und verallgemeinert werden. Solche Maßnahmen laufen gegen den herrschenden politischen Trend, der “Sparkurs” lautet; aber die rasch wachsende Misere, die dieser Kurs mit sich bringt, könnte zu sozialen Aufständen und politischen Unruhen führen. An diesem Punkt sollte der politische Wille aufkeimen, Reichtum umzuverteilen. Wenn das passiert, lasst uns nicht an Strafen denken, und daran, die Reichen zu besteuern. Einigen wir uns doch einfach darauf, dass alle Bürger das bekommen sollen, was ihnen zusteht. Eine soziale Dividende ist eine verdeckte Umverteilung von Reichtum, weil zwar alle gleich viel erhalten, aber die Reichen proportional mehr Steuern bezahlen, um sie zu finanzieren.3 Die Idee in diesem Buch ist, dass die soziale Dividende über Umlaufsicherungsgebühren, Verschmutzungsentgelte und Zahlungen für die Nutzung von Commons (siehe Punkt 1, 2 und 3) finanziert wird.

Wirtschaftsleben: Obwohl es immer noch arme und reiche Menschen geben wird, wird Armut keine existentielle Bedrohung mehr darstellen. Wem es wichtig ist, etwas zu schaffen, das andere Menschen wollen und brauchen, der wird Geld verdienen. Und wer das einfache Leben in der Natur oder künstlerische Selbstverwirklichung bevorzugt, wird immer noch genug haben, um über die Runden zu kommen. Das Ziel wirtschaftlichen Handelns wird es jedenfalls nicht mehr sein, sich “das Leben zu verdienen”. Ohne diesen Druck werden wir unsere Talente für das verwenden, was uns inspiriert. Für immer mehr unter uns ist das die Heilung der Gesellschaft und des Planeten von den Wunden der Getrenntheit. (Wenn Sie immer noch denken, dass die Befreiung vom Kampf ums Überleben zu Ausschweifungen und Arbeitsunwilligkeit führen wird, lesen Sie bitte nochmal den Abschnitt “Der Wille zur Arbeit” in Kapitel 14).

6. Wirtschaftliche Wachstumsrücknahme

Motivation: Seit hunderten von Jahren haben wir Maßnahmen zur Einsparung von Arbeitskraft entwickelt, vom Webstuhl bis zum digitalen Computer. Und immer haben wir uns entschieden, mehr zu konsumieren statt weniger zu arbeiten. Diese vom Geldsystem gesteuerte Wahl ging mit einem beschleunigten Abbau des sozialen und natürlichen Kapitals einher. Heute haben wir nicht mehr die Möglichkeit, uns für einen noch weiter beschleunigten Konsum zu entscheiden. Ohne die Triebkraft von risikofreien Plus-Zinsen wird das Wirtschaftswachstum nicht länger notwendig sein, um den Kapitalfluss in Schwung zu halten, und eine Schrumpfung der Wirtschaft wird möglich. Die Technologie wird sich trotzdem weiterentwicḱeln, und uns wird die zweite Option bleiben: weniger zu arbeiten – präziser: weniger für Geld zu arbeiten.

Übergang und Strategie: Das passiert schon. Anhaltend hohe Arbeitslosenquoten (um die 20%, wenn man entmutigte Arbeiter mitzählt) in industrialisierten Ländern, gepaart mit einer Überkapazität in der Produktion deuten darauf hin, dass es einfach nicht genug bezahlte Arbeit gibt, um jeden zu beschäftigen und alles zu produzieren was wir brauchen. Damit das klar ist: Es ist viel notwendige und schöne Arbeit zu tun – aber der Großteil davon wirft grundsätzlich keine wirtschaftlichen Erträge ab. Arbeitslosigkeit wird heute als Übel gesehen. Das wäre sie nicht, solange sie durch eine soziale Dividende abgesichert und auf die gesamte Wirtschaft verteilt wäre. Was, wenn jeder 20% weniger arbeiten würde, statt dass 20% der Menschen gar nicht arbeiten? Diese wirtschaftlichen Umstände fallen mit einem Bewusstseinswandel zusammen, denn immer mehr unter uns lehnen den konventionellen Arbeitsbegriff, diese Trennung in zwei getrennte Bereiche, Arbeit und Freizeit, ab.

Schwundgeld, eine auf Ressourcen basierende Wirtschaft (Punkt 2 und 3), und die soziale Dividende fördern zusammen eine Postwachstumsökonomie. Wir müssen uns selbst auch umprogrammieren, müssen das Mantra “Wachstum ist gut” überwinden, das die politischen Strategien heute prägt. Im Konjunkturprogramm für 2009 hat man Straßen und Brücken gebaut, um das Wachstum zu fördern – nicht weil wir unbedingt mehr Straßen und Brücken gebraucht hätten. Ähnlich sind uns neue Häuser zwar als Zeichen des Wachstums willkommen – aber nicht, weil wir etwa überzeugt davon wären, dass wir noch mehr Zergliederung und Zersiedlung bräuchten. Maßnahmen wie finanzielle und steuerliche keynesianische Anreize, die in ihrer neuen Inkarnation das Negativzinsgeld und die soziale Dividende sein werden, müssen neu ausgerichtet werden: sie sind keine Maßnahmen, um das Wirtschaftswachstum wieder anzuregen; sie sollen das Geld zu jenen fließen lassen, die es ausgeben müssen. Im Ganzen betrachtet wird das kein Wachstumsauslöser sein, solange die Commons vor der Umwandlung in Geld geschützt bleiben. Statt dessen wird es zu einer Verschiebung in der Ressourcenallokation kommen, und die wirtschaftliche Tätigkeit wird einen neuen Schwerpunkt haben.

Wirtschaftsleben: Den unteren und mittleren Klassen wird es wirtschaftlich besser gehen, so, als würde die Wirtschaft wachsen. Die Einkommen werden steigen, und es wird Arbeitsplätze geben. Diese Vorteile, die normalerweise nur zustandekommen, wenn in eine wachsende Wirtschaft investiert wird, werden auch in einer Postwachstumswirtschaft möglich sein. Die Menschen werden immer mehr Zeit für nicht-wirtschaftliche Aktivitäten verwenden, wenn der Einfluss des Geldes zurück geht, und die Bedeutung von Geschenken, Freiwilligenarbeit, Freizeit und des Nicht-Messbaren wächst. Der Trend zur kostenlosen Verfügbarkeit von Digitalbildern, Musik, Videos, Neuigkeiten, Büchern etc. wird sich fortsetzen. Ressourcenbasierte Produktion wird sehr viel teurer, dafür aber effizienter sein. Aufgrund der kontinuierlichen technologischen Entwicklung werden wir in vielen Hightech-Sparten mit immer weniger Aufwand immer mehr erreichen. Die Menschen werden auch mehr teilen und weniger konsumieren, eher herborgen als vermieten, mehr geben und weniger verkaufen – all das sind Anzeichen und Folgen des wirtschaftlichen Wachstumsrückgangs.

7. Kultur des Schenkens und P2P-Wirtschaft

Motivation: Die Ausweitung der Geldsphäre erfolgte auf Kosten anderer Wirtschaftskreisläufe, besonders auf Kosten der Kultur des Schenkens. Sobald wirtschaftliche Beziehungen die Form einer bezahlten Dienstleistung annehmen, bleiben wir unabhängig von allen, die wir kennen, und werden durch das Geld abhängig von anonymen, fernen Dienstleistern. Das ist der Hauptgrund für den Verlust von Gemeinschaft in modernen Gesellschaften, und damit für Entfremdung, Einsamkeit und seelisches Leid. Darüberhinaus ist Geld ungeeignet, die Zirkulation und die Weiterentwicklung der nicht-quantifizierbaren Dinge, die das Leben erst reich machen, zu fördern.

Übergang und Strategie: Zum Glück hat der Bedeutungsrückgang der Geldsphäre schon begonnen, und die Schenkökonomie bekommt neuen Raum. Das Internet ist in wesentlicher Hinsicht ein Schenknetzwerk. Damit ist es ganz einfach geworden, Information weiterzugeben, die einmal sehr teuer produziert werden musste. Dienstleistungen wie Werbung (man denke nur an Craigslist), Reisebüros, Journalismus, Verlagswesen, Musik und viele mehr wurden dadurch in den Bereich der Schenkökonomie verlagert. Das Internet hat auch geschenkbasierte Formen von Open Source Produktion erleichtert. Was einst bezahlte Zwischenhändler und zentralisierte Verwaltungsstrukturen erforderte, passiert nun direkt. Menschen und Unternehmen gewähren einander über Barter-Ringe sogar Kredite ohne die Vermittlung von Banken. Inzwischen führen das Ideal von Verbundenheit, die Sehnsucht nach Gemeinschaft und die reine wirtschaftliche Not auf der lokalen Ebene dazu, dass die Menschen geschenkbasierte gemeinschaftliche Strukturen wieder aufbauen.

Die Politik kann Steuer- und Bankenregulierungen liberalisieren, um diesen neuen Formen von wirtschaftlichen Kreisläufen, die heute entstehen, Raum zu geben. Die Commons, auf welche sich diese Systeme stützen, besonders das Internet, müssen öffentlich bleiben. Die Regierungen können auch Tauschringe für Wirtschaft und Industrie einrichten und ausbauen. Das würde die heimische oder regionale Wirtschaft vor der Plünderung durch das internationale Kapital bewahren.

Wirtschaftsleben: Die Menschen werden auf vielen verschiedenen Wegen ihren Bedarf an Gütern, Dienstleistungen oder Geld decken. Geschenkkreise von Angesicht zu Angesicht oder die Koordination von Fähigkeiten und Bedürfnissen über das Internet werden es ermöglichen, viele Bedürfnisse ohne Geld zu stillen. Menschen werden viel eher das Gefühl haben, Teil jener Gemeinschaft zu sein, von der sie abhängig sind. Ergänzend werden direkte Kreditsysteme in Kombination mit internetbasierten P2P Leihsystemen einige der traditionellen Bankgeschäfte überflüssig machen. Sowohl auf der regionalen als auch auf der globalen Ebene werden neue, nicht-quantifizierbare “Währungen” der Anerkennung und Dankbarkeit entstehen, die Verbindung schaffen und wertvolle Beiträge für die Gesellschaft und den Planeten belohnen.

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Wie man sieht, sind alle sieben Elemente, die ich hier beschrieben habe, eng gekoppelt und synergistisch. Keines kann für sich allein stehen. Eine Schwundwährung würde zum Beispiel nicht funktionieren, solange es immer noch andere Formen der ökonomischen Renten gäbe, in die man investieren könnte. Regionalisierung kann nur funktionieren, wenn die versteckten Subventionen abgeschafft werden, die den globalen Handel erst wirtschaftlich machen. Die Schenkökonomie macht es möglich, dass die Lebensqualität steigt, während die Wirtschaft schrumpft.

Die verschiedenen Stränge der heiligen Ökonomie, die ich in Teil II dieses Buches beschrieben habe, bilden zusammen ein Gewebe, eine organische Matrix, deren Entstehung wir schon heute miterleben. Die neue Wirtschaft wird nicht durch einen völligen Neubeginn kommen, durch den alles Alte auslöscht wird, und wir bei null anfangen. Vielmehr wird es ein Phasenübergang sein, eine Metamorphose.

Wie kein Aspekt der heiligen Ökonomie für sich allein stehen kann, so fördert aber auch jeder Teilbereich ganz natürlich die anderen. Wenn es einen Dreh- und Angelpunkt gibt, dann ist das das Ende des Wachstums, der Übergang der Menschheit zu einer neuen Beziehung zur Erde, zu einer neuen Geschichte von den Menschen. Schließlich sind es unser wachsendes Bedürfnis nach einer partnerschaftlichen Beziehung zur Erde und unsere wiedergefundene spirituelle Erkenntnis der Einzigartigkeit und Verbundenheit aller Wesen, welche dem zugrunde liegen, was ich eine heilige Ökonomie genannt habe.

1 Anm. d. Ü.: Zur Zeit der Übersetzung des Buches wurden die europäischen Leitzinsen wieder auf einen Rekord-Tiefstand von 0.75% gesenkt:

“Kampf gegen die Euro-Finanzkrise EZB senkt Leitzins erstmals unter ein Prozent” (Süddeutsche.de 05.07.2012, 14:05)

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kampf-gegen-die-euro-finanzkrise-ezb-senkt-leitzins-erstmals-unter-ein-prozent-1.1402390

“Euro-Zentralbank senkt Leitzins auf Rekordtief” (Spiegel online 5.7.2012)

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ezb-notenbanker-senken-leitzins-a-842755.html

2 Das liegt daran, dass geringe Löhne faktisch durch noch nicht zu Geld gemachte Commons subventioniert werden. Wenn noch viel Land und vieles in der Gemeinschaft gratis ist, dann können die Lebenshaltungskosten und daher die Löhne sehr niedrig sein.

3 Eine andere Möglichkeit zur Finanzierung wäre, dass die Regierung Fiatgeld schafft und an alle Bürger ausgibt. Das ist auch eine verdeckte Umverteilung, weil es zur Inflation kommen wird, die den relativen Wohlstand der Gläubigerklasse schmälert, wenn nicht eine gleich große Geldsumme über Besteuerung aus der Wirtschaft herausgenommen wird.

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