Kapitel 5: Der Leichnam der Commons

Wir zetern gegen den Feudalbaron, der dem Bauer nicht gestattete, das Land zu berühren, wenn er ihm nicht ein Viertel seiner Ernte überließ. Wir nennen jene Zeit eine barbarische. Indes nur die Form der Ausbeutung hat gewechselt, der Grad derselben ist der gleiche geblieben. Der Arbeiter nimmt heute unter dem Namen des freien Kontraktes Feudallasten auf sich, denn nirgends würde er bessere Bedingungen finden. Wo einmal alles das Eigentum eines Herrn geworden, muss er sich fügen oder Hungers sterben.

(Peter Kropotkin)

Auf dem Grunde jeden großen Geschäftes liegt ein großes Verbrechen.

(Honoré de Balzac)

Obwohl Land offensichtlich auch ohne menschliche Leistung existiert, besteht kaum ein Unterschied zwischen Land und jeder anderen Art von Eigentum. Betrachten wir zuerst das materielle Eigentum – alles, was aus Metall, Holz, Kunststoff, Pflanzen oder Tieren, Mineralien und so weiter gemacht ist. Was sind diese Dinge anderes als Bestandteile der Erde, die durch menschlichen Eingriff verändert wurden? Die Unterscheidung zwischen Land und der Erschließung desselben – die Unterscheidung zwischen dem, was schon da ist, und dem, was durch menschliche Leistung geschaffen wird – gilt für Land nicht weniger als für alle anderen materiellen Güter. Alles was wir benützen, und alles was wir besitzen, besteht aus veränderten Stückchen der Erde. Zusammengenommen ist das alles “Naturkapital” – der Wohlstand und das Gute, das uns die Natur vermacht hat. Ursprünglich war nichts davon Eigentum, aber es wurde zum Eigentum, als die Technologie unseren Einflussbereich erweiterte, und die Mentalität der Getrenntheit unseren Drang zu besitzen verstärkte. Heute sind Formen von Naturkapital zu Eigentum geworden, von denen wir einst kaum wussten, dass es sie gibt: das elektromagnetische Spektrum, DNA Sequenzen, und indirekt die ökologische Vielfalt und die Kapazität der Erde, industriellen Abfall wieder zu entgiften.1

Ob sie nun direkt zu Eigentum gemacht wurden, wie Land, Öl und Bäume, oder ob sie immer noch Gemeinschaftsgüter, Commons, sind, von denen wir zehren, wie das offene Meer – die ursprünglichen Großen Gemeingüter wurden ausverkauft: Erst wurden sie zum Eigentum erklärt und dann zu Geld gemacht. Es ist dieser letzte Schritt, der endgültig bestätigt, dass etwas seine Metamorphose zum Eigentum vollzogen hat. Kann etwas frei gekauft und verkauft werden, bedeutet das, dass es aus seinem ursprünglichen Bezugsrahmen gerissen wurde, es ist “veräußerlich” geworden. Darum konnte Geld ein Stellvertreter für Land und alles andere Eigentum werden; und darum hat auch die „Miete“ für seine Nutzung (also Zinsen) dieselben Auswirkungen und ist Teil desselben uralten Unrechts, wie das Einheben von Pachtgebühren für Land.

5.1 Kulturelles und Spirituelles Kapital

Natürliches Kapital ist eine der vier großen Kategorien des Gemeinwesens, das außerdem noch soziales, kulturelles und spirituelles Kapital umfasst. Für all das, was einst im Rahmen der Selbstversorgung oder in einer Schenkökonomie frei zugänglich war, müssen wir jetzt zahlen. Also wurde nicht nur Mutter Erde, sondern auch Mutter Kultur beraubt.

Im ökonomischen Diskurs ist kulturelles Kapital die bekannteste unter diesen Kategorien, und zwar unter dem Namen Geistiges Eigentum. In früheren Zeiten bildete der große Fundus an Geschichten, Ideen, Liedern, künstlerischen Motiven, Bildern und technischen Erfindungen ein Gemeingut, aus welchem jeder zur Erbauung und Inspiration schöpfen und es wieder in andere Innovationen einfließen lassen konnte. Im Mittelalter lauschten Barden den Liedern der anderen und übernahmen neue Melodien, die ihnen gefielen, adaptierten sie, und speisten sie wieder in das musikalische Gemeingut ein. Heute balgen sich Künstler und ihre Musiklabels um Urheberrechte, lassen jede noch so kleine neue Idee schützen und verfolgen jeden aufs Schärfste, der versucht, ihre Songs für sich zu verwenden. Dasselbe geschieht in allen Bereichen der Kreativindustrie.2

Die moralische Rechtfertigung für geistiges Eigentum ist wieder: “Wenn ich mir gehöre, und wenn mir meine Arbeitskraft gehört, dann gehört mir auch, was ich mache.” Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Voraussetzung “Ich gehöre mir” zutrifft, ist die implizite Annahme, dass künstlerische und intellektuelle Kreationen ex nihilo und völlig unabhängig vom kulturellen Kontext aus dem Kopf des Schaffenden entstehen, absurd. Jedes geistige Werk (dieses Buch miteingeschlossen), greift auf dieses und jenes aus dem Meer an Kultur zurück, das uns umgibt, und auf den Schatz an Bildern, Melodien und Ideen, die tief in der menschlichen Psyche eingeprägt oder ihr vielleicht sogar angeboren sind. Wie Lewis Mumford schreibt:

“Ein Patent ist eine Einrichtung, die es einem Menschen erlaubt, spezielle finanzielle Belohnungen dafür zu fordern, dass er das letzte Glied in der Kette eines komplizieren gesellschaftlichen Prozesses ist, der zu dieser Erfindung führte.”3

Das gilt auch für Lieder, Geschichten und alle anderen kulturellen Neuerungen. Indem sie zu Privateigentum gemacht werden, umzäunen wir etwas, das nicht uns gehört. Wir stehlen es von den kulturellen Commons. Und weil Teile der kulturellen Commons wie Land wiederum selbst kontinuierlich Wohlstand erzeugen, ist dieser Diebstahl ein fortwährendes Verbrechen, das zur Trennung zwischen den Habenden und den Habenichtsen, den Eigentümern und den Mietenden, den Gläubigern und den Schuldnern beiträgt. Der russische Anarchist Peter Kropotkin brachte das eloquent auf den Punkt:

Jede Maschine hat die gleiche Geschichte: eine lange Geschichte erfolglos durchwachter Nächte, von Enttäuschungen und Freuden, von partiellen Verbesserungen, ausfindig gemacht durch mehrere Generationen unbekannter Arbeiter, die der primitiven Erfindung jene kleinen Unbedeutendheiten hinzufügen sollten, ohne die die fruchtbarste Idee unfruchtbar geblieben wäre. Überhaupt jede neue Erfindung ist eine Weiterbildung – ein Resultat von tausend vorangegangenen Erfindungen auf dem unermesslichen Gebiete der Mechanik und Industrie.

Wissenschaft und Industrie, das Wissen und seine Anwendung, Erfindung und ihre Verwirklichung, die wieder zu neuen Erfindungen führt, Gehirnarbeit und Handarbeit – Gedanke und Muskelanstrengung – alles steht in inniger Verbindung. Jede Entdeckung, jeder Fortschritt, jede Vermehrung des Reichtums der Menschheit hat ihren Ursprung in der Gesamtheit von Hand- und Hirnarbeit der Vergangenheit und Gegenwart.

Also mit welchem Recht darf sich irgend jemand auch nur des geringsten Teiles dieses unermesslichen Ganzen bemächtigen und sagen: „Das gehört mir und nicht euch?“4

Solche Gedanken haben den Wunsch in mir geweckt, meine Bücher im Internet frei zugänglich zu machen und auf einige der normalen Urheberrechte zu verzichten. Ohne das Gemeingut des kulturellen Kapitals, diesen reichhaltigen organischen Nährboden aus Ideen hätte ich dieses Buch nicht schreiben können, deshalb kann ich es nicht mit Recht umzäunen.5

Spirituelles Kapital ist subtiler. Darunter fallen unsere mentalen und sinnlichen Wahrnehmungen, zum Beispiel die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, imaginäre Welten zu erschaffen und sich am Leben zu freuen. Als ich jung war, in den letzten Tagen bevor Fernsehen und Videospiele antraten die Kindheit in Amerika zu dominieren, schufen wir unsere eigenen Welten, unsere Geschichten mit komplizierten Handlungssträngen und übten die geistigen Fähigkeiten, die auch Erwachsene nutzen können, um ihr Leben und ihre kollektive Wirklichkeit zu gestalten: eine Vision ausformulieren, eine Geschichte rund um diese Vision erzählen, die Bedeutungen und Rollen zuschreibt, diese Rollen umsetzen und so fort. Heute kommen diese imaginativen Welten vorfabriziert aus den Fernsehstudios und von den Softwarefirmen. Die Kinder wandern durch diese billigen, knallbunten, oft gewalttätigen Welten, von fernen Fremden geschaffen. Auch diese kommen mit vorgefertigten Bildern, und die Fähigkeit, ihre eigenen Bilder zu erschaffen (diese Fähigkeit nennen wir Imagination), verkümmert. Unfähig, sich neue Welten auszumalen, gewöhnt sich das Kind daran, welche Wirklichkeit auch immer ihm geboten wird, zu akzeptieren.6 Könnte das vielleicht zur politischen Passivität der amerikanischen Öffentlichkeit beitragen?

Ein anderer Raubbau am spirituellen Kapital findet über die intensive sensorische Reizüberflutung durch die elektronischen Medien statt. Moderne Actionfilme sind zum Beispiel so schnell, so laut, so aufpeitschend, dass im Vergleich dazu ältere Filme langweilig wirken, gar nicht zu erwähnen Bücher oder die Natur. Obwohl ich mir größte Mühen gab, meine Kinder den Exzessen unserer Zeit nur begrenzt auszusetzen, halten sie es kaum aus, einen Film anzusehen, der vor 1975 gemacht wurde. Haben wir uns einmal an diese intensiven Reize gewöhnt, dann leiden wir in ihrer Abwesenheit unter Entzugserscheinungen, genannt Langeweile. Wir werden abhängig, und daher müssen wir für etwas bezahlen, das wir früher einfach dadurch hatten, dass wir am Leben waren. Ein Baby oder ein Jäger/Sammler wird von den langsamen Prozessen der Natur fasziniert sein: einem auf dem Wasser treibenden Zweig, einer Biene, die eine Blume besucht, und anderen Vorgängen, die jenseits der schwächelnden Aufmerksamkeit eines modernen Erwachsenen liegt. Wie die römischen coloni dafür zahlen mussten, dass sie Land für ihr eigenes Überleben nutzen durften, so bezahlen Menschen heute auch die Eigentümer von Methoden, Medien und Kapital dafür, dass damit die extremen Sinnesreize erzeugt werden, die die Menschen brauchen, um sich lebendig zu fühlen.

Es mag nicht sofort einleuchten, dass spirituelles Kapital ein Gemeingut darstellt. Was hier in Besitz genommen wurde, ist ein Ort der Aufmerksamkeit. Die geistigen Fähigkeiten, die ich spirituelles Kapital nenne, sind nicht aus dem Nichts entstanden: Unsere Erziehung, unser Elternhaus, unsere kulturelle Umgebung förderten und prägten sie. Unsere Vorstellungsgabe und unsere Fähigkeit, sinnliche Befriedigung zu erleben, sind zu einem Großteil kollektive Fähigkeiten. Heute können wir sie nicht mehr an frei verfügbaren geistigen und natürlichen Quellen üben, sondern müssen sie von ihren neuen Eigentümern kaufen.

Die kollektive Aufmerksamkeit der Menschheit ist ein Gemeingut wie das Land und die Luft. Wie jene ist sie ein Rohstoff für unsere Kreativität. Um ein Werkzeug zu bauen, um überhaupt irgendetwas zu tun, muss man seine Aufmerksamkeit auf diese Aufgabe konzentrieren, und nicht auf etwas anderes. Die Allgegenwart von Werbung und Medien in unserer Gesellschaft ist eine Gleichschaltung der kollektiven Aufmerksamkeit und mindert unser göttliches Erbe. Unterwegs, wo immer ich hinsehe, ist eine Werbetafel. In der U-Bahn, im Internet, auf der Straße greifen Werbebotschaften nach uns, um unsere Aufmerksamkeit zu “fesseln”. Sie dringen sogar in unsere Gedanken, unsere Erzählungen, unseren inneren Dialog ein, und über diese gelangen sie bis an unsere Emotionen, Wünsche und Glaubensvorstellungen und richten alles auf Konsum und Gewinnerzielung aus. Unsere Aufmerksamkeit gehört uns kaum mehr, so einfach kann die Macht von Politik und Kommerz sie manipulieren.

Nachdem sie so lange manipuliert, zerkleinert, an intensive Reize gewöhnt und zwischen grellen aber leeren Themen hin- und hergerissen wurde, ist unsere Aufmerksamkeit so fragmentiert, dass wir sie nicht lange genug auf etwas ausrichten können, das von den Programmen unabhängig ist, die uns umgeben. Wir verlieren die Fähigkeit, Gedankengänge zu verfolgen, Nuancen zu erkennen und uns in die Lage eines anderen zu versetzen. Empfänglich für jeden simplen Erzählstrang, der uns unmittelbar emotional anspricht, sind wir leichte Beute nicht nur für die Werbung sondern auch für Propaganda, Demagogie und Faschismus. Auf verschiedenen Wegen dienen sie alle der Macht des Geldes.

5.2 Der Raubbau an der Gemeinschaft

Die für diese Diskussion wichtigste Art von Kapital ist das Sozialkapital. Sozialkapital bezieht sich vor allem auf Beziehungen und Fähigkeiten, auf “Dienstleistungen”, die Menschen früher sich selbst und anderen im Rahmen einer Schenkökonomie zugute kommen ließen, wie Kochen, Kinderbetreuung, Gastfreundschaft, Unterhaltung, Rat, das Anbauen von Nahrungsmitteln, die Fertigung von Kleidungsstücken und die Errichtung von Häusern. Noch vor zwei Generationen wurde viel weniger von diesen Funktionen als Waren gehandelt als heute. Als ich ein Kind war, gingen die Leute nur selten in Restaurants, und Nachbarn passten füreinander nach der Schule auf die Kinder auf. Die Technologie war daran maßgeblich beteiligt, dass unsere Beziehungen ins Reich der “Dienstleistungen” überwechselten, so wie sie auch immer tiefere und finsterere Teile der Erde zu Waren gemacht hat. Zum Beispiel trugen Phonograph und Radio dazu bei, Musik in etwas zu verwandeln, für das Menschen zahlten, anstatt es selbst zu machen. Lagerungs- und Transporttechnologien bewirkten das gleiche bei der Nahrungsmittelerzeugung. Generell machte uns die feine Arbeitsteilung, die mit der Technologie einhergeht, bei fast allem, das wir nutzen, von Fremden abhängig. Gleichzeitig wird es immer unwahrscheinlicher, dass unsere Nachbarn irgendetwas von dem brauchen, was wir produzieren. Wirtschaftliche Verbindungen werden dadurch von gesellschaftlichen Beziehungen getrennt, wodurch uns wenig bleibt, das wir unseren Nachbarn anbieten können. Wir haben kaum eine Gelegenheit, sie kennen zu lernen.

Die Monetarisierung des Sozialkapitals ist Raubbau an der Gemeinschaft. Es sollte nicht überraschen, dass Geld sehr viel mit der gesellschaftlichen Desintegration zu tun hat, weil Geld der Inbegriff des Unpersönlichen ist. Machen Sie zwei verschiedene Wälder zu Geld, und sie werden ununterscheidbar. Dieses Prinzip erzeugt eine globale Monokultur, in der jede Leistung eine bezahlte Dienstleistung ist. Wenn Geld alle unsere Beziehungen vermittelt, verlieren auch wir unsere Einzigartigkeit und werden zum Standardkonsumenten von Standardwaren und -leistungen und zu Standarddienstleistern, die ihrerseits Dienstleistungen anbieten. Persönliche Beziehungen sind in der Wirtschaft nicht wichtig, weil wir immer “jemand anders dafür bezahlen können, es zu machen”. Kein Wunder, dass wir es so schwer finden, Gemeinschaft zu schaffen, so sehr wir uns auch darum bemühen mögen. Kein Wunder, dass wir uns so unsicher, so austauschbar fühlen. Das alles liegt an der – wie wir sehen werden vom Zins verursachten – Verkehrung des Einzigartigen und Heiligen in das vom Geld Dominierte und Standardisierte. In Die Renaissance der Menschheit schrieb ich:

“Wir brauchen einander eigentlich nicht.” … Könnte man den Verlust der Gemeinschaft in der heutigen Zeit besser beschreiben? Wir brauchen einander eigentlich nicht. Wir brauchen die Person, die unsere Nahrung anbaut, liefert und verarbeitet, die unsere Kleidung herstellt, unser Haus baut, unsere Musik erschafft, unser Auto baut und repariert, nicht zu kennen; wir brauchen nicht einmal die Person zu kennen, die auf unser Kleinkind aufpasst, während wir arbeiten. Wir sind abhängig von der Funktion, aber nur beiläufig von der Person, die diese Funktion erfüllt. Was auch immer es sei, wir können immer jemand anderen dafür bezahlen, solange wir das Geld haben. Und wie bekommen wir das Geld? Indem wir irgendeine andere spezialisierte Funktion erfüllen, was meistens bedeutet, dass andere Leute uns dafür bezahlen, etwas für sie zu tun…

Die Unerlässlichkeiten des Lebens sind Spezialisten überantwortet worden, was uns mit keiner bedeutungsvollen Tätigkeit außerhalb unserer eigenen Spezialisierung zurücklässt, außer uns zu zerstreuen. Dabei sind die Tätigkeiten des täglichen Lebens, die uns geblieben sind, zumeist einsame Angelegenheiten: irgendwo hinfahren, Sachen kaufen, Rechnungen bezahlen, Fertiggerichte zubereiten, Hausarbeit machen. Keine dieser Tätigkeiten erfordert die Hilfe von Nachbarn, Verwandten oder Freunden. Wir wünschen uns, wir wären unseren Nachbarn näher; wir denken von uns selbst als freundliche und hilfsbereite Menschen. Aber es gibt so wenig, bei dem wir ihnen helfen können. In unseren Schuhkartonhäusern sind wir selbstgenügsam. Oder vielmehr sind wir selbstgenügsam in Bezug auf die Leute, die wir kennen, aber abhängig wie nie zuvor von vollkommen Fremden, die tausende Kilometer entfernt leben.

Die Kommerzialisierung der gesellschaftlichen Beziehungen führt dazu, dass uns nichts mehr gemeinsam zu tun geblieben ist, als zu konsumieren. Gemeinsamer Konsum stärkt Gemeinschaft nicht, weil er keine Geschenke erfordert. Ich denke, es ist das unausgesprochene Wissen : “Ich brauche dich nicht,” das die oft beklagte Leere der meisten Zusammenkünfte erzeugt. Ich brauche dich nicht, um Essen, Getränke, Drogen oder Unterhaltung zu konsumieren. Konsum erfordert von keinem Geschenke, verlangt von keinem sein wahres Sein. Gemeinschaft und Intimität können nicht vom gemeinsamen Konsum kommen, sondern nur vom Geben und aus der Kokreativität.

Wenn die Liberalen das Privateigentum verherrlichen, machen sie unbeabsichtigt auch den großen Staatsapparat nötig, den sie doch so verachten. Wenn nämlich die gemeinschaftlichen Bande verloren gehen, sind die übrig gebliebenen atomisierten Individuen abhängig von der fernen Autorität (einem gesetzlich konstituierten Staat), die viele der Funktionen übernehmen muss, welche einst die Gemeinschaft erfüllte: Sicherheit, Konfliktlösung und die Zuteilung des kollektiven Sozialkapitals. Die Privatisierung und Besitzaneignung der ökonomischen Sphäre macht uns, um einen Begriff zu prägen, hilflos unabhängig – unabhängig von denen, die wir kennen, und abhängig von unpersönlichen Zwangsinstitutionen, die uns aus der Ferne regieren.

Wenn ich Menschen frage, was ihnen im Leben am meisten abgeht, ist die häufigste Antwort “Gemeinschaft”. Aber wie können wir Gemeinschaft bilden, wenn ihre Bausteine – das, was wir füreinander tun – alle in Geld umgewandelt wurden? Gemeinschaft ist aus Geschenken gewoben. Anders als Geld- oder Tauschthandlungen, in denen nach der Transaktion keine Verpflichtungen bleiben, setzen Geschenke immer zukünftige Geschenke voraus. Wenn wir etwas empfangen, dann schulden wir etwas. Dankbarkeit ist das Wissen, dass wir etwas geschenkt bekamen, und der Wunsch, nun selbst zu geben. Aber was könnten wir jetzt geben? Keine Lebensgrundlagen, auch nicht Essen, Obdach, Kleidung oder Unterhaltung, keine Geschichten, keine Gesundheitsfürsorge: jeder kauft sich das alles. Daher kommt auch der Wunsch, von all dem wegzukommen, zurückzukehren in ein selbstgenügsameres Leben, in dem wir in Gemeinschaft unsere eigenen Häuser bauen, unsere Nahrung selbst anbauen und unsere Kleider selbst fertigen. Obwohl diese Bewegung wichtig ist, bezweifle ich, dass viele Menschen wieder beginnen, die Dinge auf die harte Tour zu machen, nur um Gemeinschaft zu erleben. Es gibt abgesehen von der Abwendung von der spezialisierten Arbeitsteilung und der maschinenbasierten Effizienz der modernen Zeit noch eine andere Lösung. Sie hat mit der Tatsache zu tun, dass Geld überhaupt nicht viele unserer Bedürfnisse befriedigt. Sehr wichtige Bedürfnisse bleiben heute ungestillt, und das unpersönliche Geld kann sie gar nicht befriedigen. Die Gemeinschaft der Zukunft wird aus den Bedürfnissen entstehen, die dieses Geld inhärent nicht befriedigen kann.

Jetzt sehen Sie, warum ich Geld den “Leichnam der Commons” nenne. Die Verkehrung von natürlichem, kulturellem, sozialem und spirituellem Kapital in Geld ist die Vollstreckung seiner Macht, die Richard Seaford beschreibt: alles, was es berührt, zu vereinheitlichen. “Indem sie Individualität auf homogene Unpersönlichkeit reduziert,” schreibt er, “ähnelt die Macht des Geldes der Macht des Todes.”7 Wenn jeder Wald zu Festmetern gemacht, jedes Ökosystem zubetoniert, wenn jede zwischenmenschliche Beziehung in eine Dienstleistung umgewandelt wurde, dann wird das biologische und das gesellschaftliche Leben auf diesem Planeten zum Stillstand kommen. Alles, was uns bleibt, ist kaltes, totes Geld. Wie uns vor so vielen Jahrhunderten die Sage von König Midas warnte: Wir werden zwar tot sein – aber sehr, sehr reich.

5.3 Die Erzeugung von Bedürfnissen

Ökonomen würden behaupten, dass Plattenspieler, Bulldozer und dergleichen uns bereichert haben, indem sie neue Güter und Leistungen schufen, die zuvor nicht existiert hatten. Näher betrachtet erfüllen diese Dinge keine neuen Bedürfnisse. Sie machen das nur auf andere Art und Weise – eine, für die wir jetzt bezahlen müssen.

Nehmen wir die Telekommunikation. Menschen haben kein abstraktes Bedürfnis nach Kommunikation über große Distanzen. Wir haben ein Bedürfnis, mit Menschen in Kontakt zu bleiben, mit denen wir gefühlsmäßig oder wirtschaftlich verbunden sind. Früher waren diese Menschen meist in der Nähe. Ein Jäger und Sammler oder ein russischer Landarbeiter im vierzehnten Jahrhundert hätten wenig Verwendung für ein Telefon. Erst in Verbindung mit anderen technologischen und kulturellen Entwicklungen, die dazu führten, dass sich Menschen weiter voneinander entfernten, und dass sich Familien und örtliche Gemeinschaften zerstreuten, begannen Telefone ein Bedürfnis zu erfüllen. Das Grundbedürfnis ist aber nicht neu unter der Sonne.

Oder nehmen wir ein anderes Angebot der Technik, eines, zu dem sich zu meinem großen Entsetzen meine Kinder unwiderstehlich hingezogen fühlen: Massen-Mehrspieler-Online-Fantasy-Rollenspiele. Auch sie erfüllen kein neues Bedürfnis. Jugendliche haben einen starken Drang, auf Entdeckung zu gehen, Abenteuer zu erleben und eine Identität im Kontakt mit Gleichaltrigen mit Bezug auf diese Entdeckungen und das Abenteuer zu entwickeln. Früher passierte das draußen im Freien. Als ich ein Kind war, hatten wir schon nicht mehr die Freiheit der Generationen vor uns (wie man bei Tom Sawyer nachlesen kann) und trotzdem wanderten meine Freunde und ich manchmal kilometerweit zu einem Bach oder einem stillgelegten Steinbruch, einer nicht erschlossenen Bergkuppe oder zu den Bahngeleisen. Heute, wo jedes Fleckchen Land umzäunt und mit “Betreten Verboten” Schildern markiert ist, wo die Gesellschaft unter einem Sicherheitswahn leidet, und die Kinder mit Terminen eingedeckt und zur Leistung dressiert werden, sieht man selten Kinder, die durch die Landschaft streunen. Technologie und Kultur haben den Kindern etwas genommen, das sie dringend brauchen, und es wird ihnen in Form von Videospielen zurückverkauft.

Ich erinnere mich an den Tag, als mir klar wurde, was da vor sich geht. Zufällig sah ich eine Episode der Fernsehshow Pokémon, in der es um drei Kinder geht, die herumziehen und magische Abenteuer bestehen. Diese fiktiven, markengeschützten Bildschirmcharaktere erlebten jene magischen Abenteuer, die echte Kinder früher wirklich erlebt hatten. Und heute müssen Kinder für das Privileg bezahlen (über die Werbung), das gerade mal ansehen zu dürfen. Das Ergebnis davon: das BIP ist gewachsen. Neue “Waren und Dienstleistungen” (per Definition sind diese Teil der Geldwirtschaft) wurden geschaffen und ersetzen Funktionen, die einst gratis waren.

Denkt man ein wenig darüber nach, so erkennt man, dass fast jede Ware, jede Dienstleistung heute Bedürfnisse erfüllt, die früher gratis waren. Was ist mit medizinischer Technologie? Vergleicht man unsere eigene schlechte Gesundheit mit jener tadellosen, der sich die Jäger und Sammler und die urtümlichen Bauern erfreuten, dann wird klar, dass wir unser körperliches Funktionieren zu einem hohen Preis kaufen. Kinderbetreuung? Nahrungsmittelerzeugung? Transport? Textilindustrie? Aus Platzgründen kann ich hier nicht in jedem einzelnen Fall herausarbeiten, welche Bedürfnisse uns gestohlen und zurückverkauft wurden. Ich werde aber ein weiteres Argument für meine Sichtweise liefern: Würde das Wachstum der Geldsphäre wirklich die technische und kulturelle Befriedigung unserer Bedürfnisse vorantreiben – wären wir dann nicht viel zufriedener, als alle Menschen vor uns?

Sind die Menschen heute glücklicher, erfüllter, wenn sie Filme statt Geschichtenerzählern, MP3 Player statt Klavierabenden haben? Sind wir glücklicher, wenn wir massenproduzierte Nahrung statt der Lebensmittel vom Nachbarsfeld oder aus dem eigenen Garten essen? Sind Menschen, die in Fertigteilhäusern und protzigen Vorstadtvillen leben, glücklicher als jene, die in Steingebäuden in Neu England oder in Wigwams wohnten? Sind wir glücklicher? Wurde eines unserer neuen Bedürfnisse erfüllt?

Selbst wenn das nicht der Fall ist, möchte ich nicht die ganze Technologie verdammen, trotz des Schadens, den sie der Natur und der Menschheit gebracht hat. Die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik erfüllen ja auch Bedürfnisse, die Schlüsselelemente für die heilige Ökonomie sind: darunter das Bedürfnis zu erforschen, zu spielen, zu wissen und schöpferisch tätig zu sein – das, was wir in der Bewegung für eine Neue Wirtschaft “die richtig coolen Sachen” nennen. In einer heiligen Ökonomie werden Wissenschaft, Technologie und die damit einhergehende Arbeitsteilung weiterhin zu den Mitteln gehören, mit denen wir diese Bedürfnisse stillen. Wir sehen schon jetzt diesen höheren Zweck von Wissenschaft und Technologie, wie ein rezessives Gen, das nicht unterdrückt werden kann, trotz seiner endlosen Vermarktung. Sie liegen im Herzen jedes wahren Wissenschaftlers und Erfinders: der Geist des Staunens, die Begeisterungsfähigkeit und der Reiz des Neuen. Jede Institution der alten Welt hat ein Gegenstück in der neuen – die gleiche Note in einer anderen Oktave. Wir rufen nicht zu einer Revolution auf, die das Alte auslöschen wird und mit dem Neuen bei null beginnen will. Solche Revolutionen hat man schon versucht, und sie hatten jedes Mal den gleichen Effekt, weil diese Mentalität selbst zur alten Welt gehört. Die heilige Ökonomie ist Teil einer völlig neuen Art von Revolution, einer Transformation, nicht einer Tilgung. In dieser Revolution werden die Verlierer nicht einmal bemerken, dass sie verloren haben.

Bis heute erfüllten sehr wenige Produkte unserer Wirtschaft und Technologie die zuvor genannten Bedürfnisse. Nicht nur unser Bedürfnis nach Spiel, unser Drang zu entdecken, unsere Sehnsucht nach dem Wunder sind untererfüllt, sondern selbst die Erfüllung unserer körperlichen Bedürfnisse ist oft mit Sorge und Mühen verbunden. Das widerspricht der Behauptung von Ökonomen, dass Technologie und Arbeitsteilung, selbst wenn sie keine neuen Bedürfnisse befriedigen, uns zumindest erlauben, die bestehenden Bedürfnisse effizienter zu erfüllen. Eine Maschine, so sagt man, kann die Arbeit von tausend Männern verrichten. Ein Computer kann die Arbeit von tausend Maschinen koordinieren. Deshalb sagten Zukunftsforscher seit dem 18. Jahrhundert das unmittelbare Bevorstehen des Zeitalters der Muße vorher. Dieses Zeitalter ist nie im Jetzt angekommen, es rückte in den vergangenen 35 Jahren scheinbar in immer weitere Ferne. Etwas funktioniert hier offenbar nicht.

Eine der zwei Grundannahmen der Ökonomie ist, dass Menschen normalerweise in ihrem rationalen Eigeninteresse handeln, und dass dieses Eigeninteresse mit Geld gleichzusetzen sei. Zwei Menschen werden nur dann einen Tausch (z.B.: Geld gegen Ware) vollziehen, wenn er sich lohnt. Je mehr Tauschgeschäfte stattfinden, desto mehr Vorteile wurden realisiert. Ökonomen verbinden Geld daher mit der von Jeremy Bentham definierten “Nützlichkeit” – also mit dem Guten. Deshalb ist Wirtschaftswachstum gleichsam der Heilige Gral der Wirtschaftspolitik: Wenn die Wirtschaft wächst, dann mehrt sich das Gute in der Welt, so meint man. Welcher Politiker würde sich also nicht gerne das Wirtschaftswachstum als Verdienst anrechnen lassen?

Wenn eine neue Ware oder Dienstleistung entsteht, und jemand bereit ist, dafür zu bezahlen, so die Logik der Ökonomie, dann muss sie für jemanden von Nutzen sein. In einem gewissen engeren Sinn stimmt das auch. Wenn ich Ihnen ihren Autoschlüssel stehle, könnte es für Sie von Nutzen sein, ihn von mir zurückzukaufen. Wenn ich Ihr Land stehle, könnte es von Nutzen für Sie sein, wenn Sie es von mir pachten, damit Sie überleben können. Aber zu behaupten, dass Geldtransaktionen ein Beweis dafür wären, dass generell der Nutzen steigt, ist absurd. Das beruht auf der Annahme, dass die nun befriedigten Bedürfnisse zuvor unbefriedigt geblieben wären. Wenn wir nur für etwas zahlen, das vorher über Selbstversorgung oder im Rahmen einer Schenkökonomie zur Verfügung stand, dann ist die Logik des Wirtschaftswachstums falsch. Dahinter steckt die verborgene ideologisch motivierte Annahme, dass das primitive Leben – nach den Worten von Hobbes – “einsam, arm, widerlich, brutal und kurz” gewesen sei. Solch eine Vergangenheit sollte eine Gegenwart rechtfertigen, die im Grunde aber in vielerlei Hinsicht alle von Hobbes genannten Eigenschaften aufweist. Was ist das Leben zu Hause in der Vorstadt, wenn nicht einsam? Was ist das Leben in Äquatorialafrika, wenn nicht kurz?8 Und konnte irgendein Zeitalter dem letzten Jahrhundert in Sachen Widerlichkeit und Brutalität Konkurrenz machen? Vielleicht war die Vorstellung von Hobbes über die Vergangenheit als harter Überlebenskampf eine ideologische Projektion unserer eigenen Lage.

Damit die Wirtschaft wachsen kann, muss sich auch der Bereich der mit Geld bewerteten Waren und Leistungen ausweiten. Geld muss mehr und mehr Bedürfnisse erfüllen. Das Bruttoinlandsprodukt ist schließlich definiert als die Summe der gesamten Waren und Dienstleistungen, die eine Nation produziert. Nur was für Geld ausgetauscht wird, zählt. Wenn ich auf Ihre Kinder gratis aufpasse, werten das die Ökonomen nicht als Dienstleistung und zählen es nicht zum BIP. Ich kann meine Leistung nicht geltend machen, um eine Geldschuld zu bezahlen, und ich kann auch nicht in den Supermarkt gehen und sagen: “Ich habe heute Morgen auf die Kinder meines Nachbarn aufgepasst, also bitte geben Sie mir Lebensmittel.” Aber wenn ich eine Kindertagesstätte aufmache und von Ihnen Geld verlange, habe ich eine “Dienstleistung” geschaffen. Das BIP steigt, und den Ökonomen zufolge ist die Gesellschaft dadurch reicher geworden. Ich habe zum Wachstum der Wirtschaft beigetragen und das Gute in der Welt gemehrt. “Güter” sind jene Dinge, für die man Geld bezahlt. Geld = Gut. Das ist die Gleichung unserer Tage.

Das gilt auch, wenn ich einen Wald rode und das Holz verkaufe. Wenn die Bäume noch stehen und für den Markt nicht verfügbar sind, sind sie keine Ware. Sie werden erst zum “Gut”, wenn ich einen Forstweg baue, Holzfäller anstelle, die Bäume fällen lasse und sie einem Käufer liefere. Ich mache einen Wald zu Holz, zu einer Ware, und das BIP steigt. Ähnlich wenn ich einen neuen Song schreibe und ihn gratis teile: das BIP steigt nicht, und man sagt nicht, dass die Gesellschaft reicher geworden sei. Aber wenn ich ihn urheberrechtlich schützen lasse und verkaufe, wird er eine Ware. Oder ich kann eine traditionelle Gesellschaft finden, die Kräuter und schamanische Techniken zur Heilung anwendet, ihre Kultur zerstören und sie von der pharmazeutischen Medizin abhängig machen, die sie dann kaufen müssen. Ich kann sie von ihrem Land vertreiben, damit sie keine Subsistenzlandwirtschaft mehr betreiben können und Nahrungsmittel kaufen müssen. Dann kann ich das Land roden lassen, eine Bananenplantage errichten und sie dort beschäftigen. Und damit habe ich die Welt reicher gemacht. Ich habe verschiedene Funktionen, Beziehungen und natürliche Ressourcen in die Geldsphäre gebracht.

Jedes Mal, wenn jemand für etwas bezahlt, das sie einst als Geschenk erhielt oder selbst machte, mehrt sich das Gute in der Welt. Jeder Baum, der gefällt und zu Papier verarbeitet wurde, jede Idee, die zum geistigen Eigentum gemacht wurde, jedes Kind, das Videospiele spielt statt seine eigenen Phantasiewelten zu schaffen, jede Beziehung, die in eine bezahlte Dienstleistung umgewandelt wurde, vermindert um ein Stück die natürlichen, spirituellen und gesellschaftlichen Commons und macht sie zu Geld.

Es ist wahr, dass es (in Bezug auf die Arbeitsstunden) effizienter ist, wenn professionelle Kinderbetreuer auf drei Dutzend Kinder aufpassen, als wenn es eine Gruppe von nicht berufstätigen Eltern selbst macht. Es ist auch effizienter, fünf Quadratkilometer große Felder mit Megatraktoren und Chemie zu bewirtschaften, als dieselbe Menge von Nahrungsmitteln auf hundert kleinen Parzellen mit Handwerkzeug anzubauen. Aber diese ganze Effizienz hat uns weder mehr Freizeit gegeben, noch hat sie ein fundamentales Bedürfnis erfüllt. Die Effizienz führt dazu, dass die alten Bedürfnisse mit obszön perfektionierter Ausgefeiltheit gestillt werden, bis sie das Extrem erreichen – Schränke voll mit Kleidern und Schuhen, die kaum getragen werden, bevor sie auf die Müllkippe kommen.

Dass die menschlichen Bedürfnisse begrenzt sind, führte im Industriezeitalter fast von Anfang zu Problemen, zuerst in der Textilindustrie. Wie viele Kleidungsstücke braucht ein Mensch denn wirklich? Die Lösung für die drohende Überproduktionskrise war es, die Menschen dazu zu bringen, ihr Bedürfnis nach Kleidung überzubefriedigen. Auftritt die Modeindustrie, die in einer überraschend bewussten und zynischen Art und Weise Möchtegern-Dandies dazu anspornte, mit der Mode zu gehen. Ein Grund, warum Menschen das so angenommen haben, ist, dass Kleidung eine besondere Rolle in den Kulturen einnimmt und heilige, freudige, traurige und verspielte Funktionen erfüllt. Sie bedient ein tiefes Bedürfnis nach gesellschaftlicher Identität. Es ist so natürlich, unseren Körper zu schmücken, wie unsere Speisen zu würzen. Der Punkt ist, dass damit kein neues Bedürfnis erfüllt wurde. Immer mehr Produktion wird dafür aufgewendet, das gleiche Bedürfnis immer ausgefeilter zu erfüllen.

Darüberhinaus brachte die Industrialisierung außer der Massenproduktion von Textilien auch eine gesellschaftliche Desintegration, die zur Zerstreuung traditioneller Gemeinschaften führte und Menschen empfänglich für die Modeindustrie machte. Wie ich in einem etwas breiteren Zusammenhang in Die Renaissance der Menschheit beschrieb:

Deshalb ist es notwendig, zuerst das Identitätsgefühl einer zuvor isolierten Kultur zu zerstören, bevor man dort eine Konsumhaltung etablieren kann. Und so wird’s gemacht: Störe ihre Netzwerke der Gegenseitigkeit durch die Einführung von Konsumgütern von außen. Zermürbe ihr Selbstwertgefühl mit prächtigen Bildern vom Westen. Mache ihre Mythologien lächerlich mit Hilfe von Missionarsarbeit und wissenschaftlicher Erziehung. Beseitige ihre traditionellen Formen der Wissensweitergabe durch die Einführung von Beschulung mit auswärtigen Lehrplänen. Zerstöre ihre Sprache, indem du diesen Unterricht auf Englisch oder einer anderen nationalen Weltsprache abhältst. Durchtrenne die Verbindung zu ihrem Land durch den Import billiger Nahrungsmittel, um örtliche Landwirtschaft unökonomisch zu machen. Dann wirst du ein Volk erzeugt haben, das nach dem „richtigen“ Turnschuh trachtet.

Man kann die Überproduktionskrise, die entsteht, wenn ein Bedürfnis eigentlich gestillt wurde, überwinden, indem man auf ein anderes Bedürfnis ausweicht. Ebenso könnte man sagen, dass eine Form von natürlichen, sozialen, kulturellen und spirituellen Commons nach der anderen in Eigentum und Geld umgewandelt wurde. Wenn das Sozialkapital der Kleiderherstellung (also das Fachwissen, die Traditionen und die Form ihrer Weitergabe) zu einer Ware gemacht wurde, und wenn keiner mehr außerhalb der Geldökonomie Kleider fertigt, dann wird es Zeit, immer mehr Kleidung zu verkaufen, indem man andere identitätsstiftende Sozialstrukturen zerstört. Identität wird zur Ware, und Kleider und andere Konsumgüter werden zu Stellvertretern für Identität.

Das soziale „Ökosystem“ des Schenkens, der Wissensweitergabe, der Bräuche und Sozialstrukturen, welche die gegenseitigen Bedürfnisse erfüllen, ist nicht weniger eine Quelle von Reichtum und hat nicht weniger Goldadern, als natürliche Ökosysteme und die Erde, die beiden zugrunde liegt. Die Frage ist: Was passiert, wenn all diese Formen des gemeinschaftlichen Kapitals ausgeschöpft sind? Was passiert, wenn es keine Fische für die Fischrestaurants mehr gibt, wenn keine Wälder mehr zu Papier gemacht werden können, kein Humusboden mehr da ist, der zu Glucosesirup gemacht werden kann, wenn Menschen nichts mehr gratis füreinander tun?

Rein äußerlich betrachtet sollte das zu keiner Krise führen, im Gegenteil. Warum müssen wir weiter wachsen? Wenn alle unsere Bedürfnisse mit wachsender Effizienz erfüllt werden, warum können wir es uns nicht leisten, weniger zu arbeiten? Warum ist das versprochene Zeitalter der Muße nie angebrochen? Wie wir sehen werden, wird es, solange unser heutiges Geldsystem herrscht, nie anbrechen. Kein neues Wunder der Technik wird je groß genug sein. Das Geldsystem, das wir geerbt haben, wird uns immer zwingen, uns für das Wachstum und nicht für die Muße zu entscheiden.

Man kann sagen, dass das Geld tatsächlich ein Bedürfnis erfüllte, das zuvor unberücksichtigt blieb: das Bedürfnis der Menschheit zu wachsen und im Millionen- oder Milliardenmaßstab zu funktionieren. Unsere Bedürfnisse nach Nahrung, Musik, Geschichten, Medizin und so weiter mögen nicht besser erfüllt sein als in der Steinzeit, aber wir können zum ersten Mal Dinge erzeugen, die die koordinierte Zusammenarbeit von Millionen von Spezialisten rund um den Erdball erfordert. Geld ermöglichte die Entwicklung eines meta-humanen Organismus aus sieben Milliarden Zellen, den kollektiven Körper der menschlichen Spezies. Geld ist wie ein Signalmolekül, das die Beiträge der Individuen und Organisationen koordiniert und damit Dinge ermöglicht, die keine kleinere Gruppierung je erreichen könnte. Alle Bedürfnisse, die das Geld geschaffen oder vom persönlichen Bereich in den standardisierten und ersetzbaren transferiert hat, waren Teil dieser Entwicklung zum Organismus. Selbst die Modeindustrie war ein Teil davon, indem sie Identität und ein Zusammengehörigkeitsgefühl schuf, das sich über große soziale Distanzen erstreckt.

Wie ein vielzelliger Organismus benötigt die Menschheit als kollektives Lebewesen Subsysteme und die Möglichkeit, diese zu koordinieren. Geld und die Symbolkultur, Kommunikationstechnologien, Erziehung und so weiter waren entscheidend für diese Entwicklung. Sie wirkten wie ein Hormon, das sowohl das Wachstum stimuliert als auch die Ausdrucksform dieses Wachstums prägt. Heute, so scheint es, haben wir die Grenze dieses Wachstums erreicht. Die Menschheit ist an das Ende ihrer Kindheit gelangt. Alle unsere Organe sind voll entwickelt, manche werden nicht mehr gebraucht und werden sich wieder zurückbilden. Wir werden erwachsen. Vielleicht stehen wir kurz davor, unsere neu entdeckte, geballte milliardenfache Schöpfungskraft ihrer reifen Bestimmung zuzuwenden. Vielleicht brauchen wir dafür eine neue Art von Geld, eine, die weiterhin unseren ungeheuer komplexen meta-menschlichen Organismus koordiniert, ihn aber nicht mehr zwingt zu wachsen.

5.4 Die Macht des Geldes

Die unzähligen verschiedenen Ausprägungen von Eigentum heute haben ein gemeinsames Grundmerkmal: Sie alle können für Geld gekauft und verkauft werden. Alle sind Äquivalente von Geld, also kann jeder, der Geld besitzt, sich jede andere Form von Kapital und die darin enthaltene Produktivkraft aneignen. Und jede dieser Formen, erinneren Sie sich, war einst Teil der Gemeingüter, gehörte einst allen Mensche und wurde irgendwann einmal den Gemeingütern entrissen und zu Eigentum gemacht. Das, was mit dem Land geschah, passierte auch mit allem anderen und führte zur Konzentration von Reichtum und Macht in den Händen jener, die sie sich angeeignet hatten. Wie schon die Kirchenväter, Proudhon, Marx und George wussten, ist es unmoralisch, jemandem seinen Besitz zu rauben und ihn dann dazu zu zwingen, für die Nutzung desselben zu bezahlen. Aber das geschieht jedes Mal, wenn man Pacht auf Land oder Zinsen auf Geld einfordert. Es ist also kein Zufall, dass fast alle Weltreligionen den Wucher verbieten. Niemand sollte einfach nur davon profitieren, etwas sein Eigentum zu nennen, das auch schon da war, bevor es zum Eigentum wurde. Und Geld heute steht für alles, was schon vor dem Eigentum existierte, es ist der Eigentum in Reinform.

Aber die Anti-Zins-Geldsysteme, die ich in diesem Buch vorschlagen und beschreiben werde, sind nicht nur moralisch motiviert. Zinsen sind mehr als nur Gewinn, der auf einem Verbrechen basiert, sie sind sogar mehr als das laufende Einkommen aus einem Verbrechen, das schon begangen wurde. Sie sind auch Antriebsmotor für fortlaufenden Raub, sie sind die Kraft, die uns alle, wie gut unsere Absichten auch sein mögen, in eine bewusste oder unbewusste Komplizenschaft am Raubbau an unserer Erde zwingt.

Auf meinen Reisen, erst meinen inneren Reisen und dann als Vortragender und Autor, begegnete ich oft einem tiefen Schmerz und einer Hilflosigkeit, hervorgerufen von der Allgegenwart dieser weltverschlingenden Maschinerie und der schieren Unmöglichkeit, sich ihr zu entziehen und nicht an ihr teilzuhaben. Um eines von tausenden Beispielen zu geben: Menschen, die gegen Wal-Mart wettern oder gegen andere Supermarktriesen, die Teil der globalen Plünderungskette sind, kaufen dort immer noch ein. Sie können es sich nicht leisten, anderswo den doppelten Preis zu bezahlen oder ohne Supermarkt auszukommen. Und wie steht es mit dem Strom in meinem Haus – der Kohle, die aus den Bergen gerissen wurde? Was ist mit dem Treibstoff, der mich durch die Welt bewegt, oder mit dem mir Dinge geliefert werden, wenn ich versuche, selbst möglichst wenig herumzufahren? Ich kann meinen Anteil an der weltverschlingenden Maschinerie minimieren, aber ich kann mich ihr nicht ganz entziehen. Wenn sich Menschen bewusst werden, dass das Leben in Gesellschaft an sich bedeutet, sich am Übel in der Welt mitschuldig zu machen, dann durchlaufen sie oft eine Phase, in der sie in einer komplett isolierten und autarken intentionalen Gemeinschaft leben wollen – aber was nützt das, wenn Rom brennt? Was bringt es, wenn Sie Ihren kleinen Anteil an der Verschmutzung, die dabei ist, die Erde zu überwältigen, nicht leisten? Sie schreitet voran, ob Sie nun in einem Wald leben und sich von Wurzeln und Beeren ernähren, oder ob Sie in einem Vorort leben und aus Spanien herangekarrte Nahrungsmittel konsumieren.9 Der Wunsch nach persönlicher Absolution von den Sünden der Gesellschaft ist eine Art Fetisch, wie etwa Solarzellen am Dach eines 400m² Wohnhauses.

So lobenswert der Impuls auch sein mag, Bewegungen, die zum Boykott gegen Wal-Mart aufrufen oder Reformen im Gesundheitssystem, im Bildungssystem, der Politik oder sonstwo verlangen, erweisen sich rasch als sinnlos, weil sie gegen die Macht des Geldes anrennen. Überhaupt irgendetwas bewirken zu wollen fühlt sich an, als würden wir angestrengt stromaufwärts schwimmen, und sobald wir uns ausruhen, schwemmt uns ein neuer Skandal, ein neues Gräuel davon; wieder wird der Natur, der Gemeinschaft, der Gesundheit, der Spiritualität um des Geldes Willen etwas entrissen.

Was ist eigentlich diese “Macht des Geldes”? Sie ist nicht – auch wenn es manchmal so scheint – eine üble Intrige von Bänkern, die die Welt über die Bilderberg Gruppe, die Trilaterale Kommission und andere Instrumente der “Illuminaten” kontrollieren. Auf meinen Reisen und in meinen Korrespondenzen begegne ich manchmal Leuten, die Bücher von David Icke und anderen gelesen haben, die überzeugend darlegen, dass es eine uralte weltweite Verschwörung gibt, die eine “Neue Weltordnung” anstrebt. Ihr Symbol sei das alles sehende Auge auf der Spitze einer Pyramide, das jede Regierung und jede Institution kontrolliert und hinter den Kulissen von einer geheimen Clique machthungriger Monster geleitet wird, die selbst die Rothschilds und Rockefellers zu ihren Marionetten zählen. Ich muss sehr naiv oder sehr ignorant sein, wenn ich nicht die wahre Natur des Problems erkenne.

Ich gestehe, dass ich naiv bin, aber ignorant bin ich nicht. Ich habe vieles von diesem Material gelesen, und es hat mich nicht zufrieden gestellt. Selbstverständlich steckt sehr viel mehr hinter solchen Ereignissen wie 9/11 oder der Ermordung Kennedys, als uns öffentlich erzählt wurde, und es ist klar, dass die Finanzindustrie, das organisierte Verbrechen und die politische Macht eng miteinander verbunden sind. Aber mir scheint, dass Verschwörungstheorien die Fähigkeit der Menschen, komplexe Systeme zu kontrollieren und erfolgreich zu lenken, überschätzen. Bestimmt geht etwas Geheimnisvolles vor sich, und die “Zufälle”, auf die Leute wie Icke aufmerksam machen, entziehen sich konventionellen Erklärungen. Aber wenn Sie mir einen kleinen Exkurs in die Metaphysik erlauben, dann denke ich, dass unsere tiefen Ideologien und Glaubenssysteme und deren unbewusste Schatten ein Feld von Gleichzeitigkeiten erzeugen, die zusammen wie eine Verschwörung wirken. Es ist in Wahrheit eine Verschwörung ohne Verschwörer. Jeder ist eine Marionette, aber es gibt keinen Marionettenspieler.

Der Reiz von Verschwörungstheorien, die meist unwiderlegbar sind, ist sowohl ein psychologischer als auch ein erfahrunsgemäßer. Verschwörungstheorien haben eine dunkle Anziehungskraft, weil sie unsere Urwut ansprechen und etwas ausfindig machen, worauf wir sie projizieren können, etwas, das wir beschuldigen und hassen können. Unglücklicherweise – wie viele Revolutionäre erfahren mussten, wenn die Oligarchen gestürzt waren – ist hier unser Hass am falschen Platz. Der wahre Schuldige sitzt viel tiefer und ist viel mächtiger. Er transzendiert das bewusste menschliche Handeln, und selbst die Bänker und Oligarchen sind ihm hörig. Der wahre Schuldige, das sind die außerirdischen Overlords, die die Welt von ihren fliegenden Untertassen aus regieren. War nur ein Spaß.10 Der wahre Schuldige, der wahre Marionettenspieler, der unsere Eliten hinter den Kulissen manipuliert, ist das Geldsystem selbst: ein kreditbasiertes, zinsgetriebenes System, das der sich seit Urzeiten zuspitzenden Vereinzelung entsprungen ist. Es erzeugt Konkurrenz, es polarisiert, macht gierig. Es erzwingt endloses exponentielles Wachstum. Und am wichtigsten: Es gelangt in unserer Zeit an sein Ende, weil der Treibstoff für sein Wachstum – das soziale, natürliche, kulturelle und spirituelle Kapital – ausgeht.

In den nächsten Kapiteln beschreibe ich diesen Prozess und die Dynamik von Zinsen, wodurch ersichtlich wird, dass die heutige Wirtschaftskrise der Gipfelpunkt einer jahrhundertelangen Entwicklung ist. Wenn das klar ist, können wir besser verstehen, wie wir nicht nur ein neues Geldsystem schaffen können, sondern eine neue Art von Geldsystem, eine, die das Gegenteil des heutigen bewirkt: Teilen statt Gier, Gleichheit statt Polarisierung, Bereicherung der Commons statt deren Abbau, und Zukunftsfähigkeit statt Wachstum. Diese neue Art von Geldsystem wird auch eine noch tiefere Veränderung mit sich bringen, die wir heute schon beobachten können: eine Veränderung der menschlichen Identität hin zu einem Selbst in Verbundenheit, verbunden mit allem, was ist, durch die Gemeinschaft des Schenkens. Jedes Geld, das Teil dieser Wiedervereinigung, dieser Großen Wende ist, verdient es sicher, heilig genannt zu werden.

1Emissionszertifikate und ähnliche Maßnahmen sind ein Versuch, die regenerative Kapazität der Erde in Eigentum umzuwandeln. Auch ohne diese ist sie schon eine unsichtbare implizite Komponente jedes hergestellten Produkts, eine wesentliche Zutat, von der es nur eine begrenzte Menge gibt. Selbst ohne explizite Eigentumsrechte wird diese regenerative Kapazität den Commons genommen.

2Filmemacher brauchen zum Beispiel ganze Abteilungen für die “Klärung der Rechte” um sicher sein zu können, dass sie nicht unbeabsichtigt ein geschütztes Bild in ihrem Film verwendet haben. Dabei kann es sich um Bilder von Designermöbeln, Gebäude, Markenzeichen und Kleidung handeln – also fast alles in bebauter Umgebung. Die Folge war ein Ersticken der Kreativität und die Verdrängung der interessantesten Kunst in die Illegalität. (Das ist unvermeidlich, wenn sich Kunst dessen bedient, was uns im Alltagsleben umgibt, aber das alles ist meist schon Teil der Eigentumssphäre.)

363 Lewis Mumford: Technics and Civilization New York: Harcourt Brace, 1934. S.142. Selbstverständlich verdient der Mensch, der am Schluss eines Erfindungsprozesses steht, Lohn für seinen oder ihren Einfallsreichtum und die Mühe, aber der gesellschaftliche Zusammenhang muss auch anerkannt werden. Das ist immer weniger der Fall, wenn die Schutzzeit für Patente und Urheberrechte statt der ursprünglichen 10 oder 20 Jahre in manchen Fällen bis auf 100 Jahre ausgeweitet werden.

464 Kropotkin, Die Eroberung des Brotes. Zürich, E.F. Meyer, 1918, Kapitel 1.

Anm.d.Ü.: dt. Übersetzung von:
www.anarchismus.at/anarchistische-klassiker/peter-kropotkin/130-kropotkin-der-wohlstand-fuer-alle

5Eine detaillierte Erörterung der Urheberrechte würde den Rahmen des Buches sprengen. Sicher, ich habe einen Beitrag zu diesem Nährboden von Ideen geleistet (zumindest glaube ich das!) und verdiene in meiner Arbeit unterstützt zu werden. Aber es fühlt sich knauserig an, andere Menschen davon abzuhalten, meine Texte und andere Werke für ihr eigenes Schaffen zu verwenden. Praktisch gesehen bin ich für eine Ausweitung des “Fair Use” Konzepts und für eine drastische Einschränkung des Geltungsbereiches von Urheberrechten und Patenten.

6Oder er/sie lässt überhaupt nichts als Wirklichkeit gelten, betrachtet alles wieder nur als Vorstellungen und Symbole. Das erlaubt ihr einerseits “den Scheiß zu durchschauen”, andererseits wird sie dadurch zynisch und abgestumpft.

7Seaford, Money and the Early Greek Mind, Cambridge: Cambridge University Press, 2004. S.157.

8Auch das moderne Leben erscheint kurz: Obwohl wir relative gesehen länger leben, empfindet ein eingespannter, gehetzter Mensch das Leben als kurz. (Anm. d. Ü.: Siehe z. B.: Marianne Gronemeyer:

Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse und Zeitknappheit. WBG, Darmstadt 1996)

9Dennoch sind die Bemühungen jener Menschen, die ihre Komplizenschaft an der Verschrottung der Erde verringern wollen, auf ritueller Ebene sehr wichtig. Ein Ritual ist die Manipulation von Symbolen, durch welche die Wirklichkeit beeinflusst wird – selbst Geld ist ein rituelles Werkzeug -, und daher üben sie in der Praxis große Macht aus. Also bitte erlauben Sie es meinen Worten nicht, Sie davon abzuhalten Wal-Mart zu boykottieren. Für eine tiefere Auseinandersetzung mit diesem Thema, lesen Sie bitte meinen Essay “Rituals for Lover Earth” online (Anm. d.Ü.: http://www.realitysandwich.com/rituals_lover_earth ), am besten nachdem Sie das Kapitel 8 in diesem Buch gelesen haben.

10Gut, nicht ganz. Wird außerirdischen oder dämonischen Wesenheiten eine bösartige Machtausübung zugeschrieben, steht das für die berechtigte Einsicht, dass die Quelle des Übels in unserer Welt außerhalb des bewussten menschlichen Handelns liegt. Es gibt sie, die Marionettenspieler, aber das sind Systeme und Ideologien, keine Menschen. Und was die Außerirdischen betrifft: Es fällt mir schwer zu sagen, dass ich “an sie glaube”. Vielleicht schmuggelt die Frage, ob sie “existieren” andere ontologische Annahmen hienin, die nicht wahr sind, besonders die Annahme, dass es einen objektiven Hintergrund gibt, vor dem Dinge objektiv entweder existieren oder nicht existieren. Deswegen sage ich gewöhnlich: “Ja”.

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