Kapitel 3: Geld und Geist

“Wenn Egoismus uns isoliert, ist alles Staub. Und sobald ein Unwetter losbricht, wird alles zu Schlamm.”

(Benjamin Constant)

Wir leiden unter einer kollektiven Halluzination von Knappheit, und das ist nur eine der Auswirkungen, die Geld auf unsere Wahrnehmung hat. Dieses Kapitel wird einige der weitreichenden psychologischen und spirituellen Auswirkungen von Geld erforschen: Geld beeinflusst, wie wir unsere Welt, die Religion, die Philosophie und sogar die Wissenschaft sehen. Unser Denken, unsere Wahrnehmungen und unsere Identitäten sind durchdrungen vom Geld. Darum scheint in einer Finanzkrise auch die Wirklichkeit selbst zu zerbröseln, und die ganze Welt droht auseinanderzufallen. Gerade das ist aber ein Grund optimistisch zu sein: Geld ist eine soziale Konstruktion, und wir haben die Macht, sie zu verändern. Welche neue Art der Wahrnehmung, welche neuen Umgangsweisen miteinander könnte ein anderes Geld mit sich bringen?

Jetzt sind wir schon im dritten Kapitel, und ich habe noch nicht einmal definiert, was “Geld” eigentlich ist! Die meisten Ökonomen definieren Geld über seine Funktionen als Tauschmittel, Verrechnungseinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Dementsprechend datieren sie den Ursprung von Geld sehr früh auf die Zeit von vor etwa fünftausend Jahren, als man begann, mit Getreide, Vieh oder Gold zu handeln, die diese Funktionen erfüllten. Aber wenn ich von Geld spreche, dann meine ich ein Phänomen, das zum ersten Mal in Griechenland im siebten Jahrhundert vor Christus auftrat. Damals hörte das Geld wohl erstmals auf, reine Ware zu sein. Es nahm eine eigenständige Existenz an, und seither kann man nicht nur definieren, was Geld macht, sondern auch, was Geld ist.

Nach der traditionellen Überlieferung der Ökonomen wurden Münzen erfunden, um Gewicht und Reinheit des verwendeten Metalls zu garantieren, das die eigentliche Ware war. Ihr Wert, so geht die Geschichte, bestand einzig im Warenwert des Goldes oder Silbers, aus dem die Münzen gemacht waren. Diese Erzählung über den Ursprung des Münzwesens ist, genauso wie die Annahme von Knappheit oder die Idee, dass Tausch der Ursprung des Geldes gewesen sei, eine Fantasie der Ökonomen. Diese Fantasie hat zweifelsohne eine berühmte Tradition. Aristoteles schrieb:

“Viele der an sich nützlichen Dinge sind schwer zu transportieren. Um also den Tausch zu erleichtern, kamen die Menschen überein, etwas als ein Äquivalent für jede Ware zu geben und anzunehmen, das an sich auch unter die nützlichen Dinge gehörte, zugleich aber leicht zu handhaben und fortzubringen wäre. Und hierzu nun waren die Metalle, das Eisen, das Silber, u.s.w. am schicklichsten. – Anfangs bestimmte man den Wert derselben bloß nach der Größe und nach dem Gewichte. In der Folge setzte man ein Gepräge darauf, welches die Quantität des in jedem Stücke enthaltenen Metalls anzeigte und die Mühe des Abwiegens ersparte.”1

Diese Darstellung mutet vernünftig an, aber historische Befunde widersprechen ihr anscheinend. Die ersten Münzen, die in Lydien geprägt wurden, bestanden aus Elektrum, einer Legierung aus Silber und Gold, die in ihrer Zusammensetzung stark variierte.2 Bald breitete sich das Münzwesen nach Griechenland aus. Dort waren die Münzen zwar ziemlich einheitlich, was ihr Gewicht und die Reinheit betraf, aber ihr Wert überstieg oft den Materialwert des Silbers, aus dem sie gemacht waren.3 Manche Stadtstaaten (darunter auch Sparta) prägten sogar Münzen aus unedlen Metallen wie Eisen, Bronze, Blei oder Zinn. Solche Münzen hatten kaum einen Eigenwert aber funktionierten trotzdem als Geld.4 Münzen hatten also einen größeren Wert (der Historiker Richard Seaford schlägt vor, ihn “Vertrauens-Wert” zu nennen) als gleiche aber ungeprägte Metallscheiben. Warum? Welche mysteriöse Macht wurde durch diese Zeichen übertragen? Es war weder die Garantie von Gewicht und Reinheit, noch die erweiterte persönliche Macht eines Herrschers oder einer religiösen Autorität. Seaford beobachtet:

“Während Siegel-Zeichen anscheinend die Macht des Siegel-Besitzers repräsentieren, erzeugt die Prägung auf Münzen keine imaginäre Verbindung zwischen den Münzen und ihrer Herkunft.”5

Eher scheint die Prägung der Münze

“dem Metall selbst einen bestimmten Wert zuzuschreiben, und zwar nicht durch magische (oder andere) Übertragung von Macht auf ein Metallstück, sondern indem es durch eine erkenntliche Form einer bestimmten Kategorie von Dingen zugeschrieben wird, der Kategorie “echte Münze”. (… ) Die Prägung der Münze (…) funktioniert als ein Symbol an sich.”6

Symbole haben keine Macht an sich, sondern Menschen schreiben ihnen diese zu. Die gesellschaftliche Macht von Zeichen und Symbolen hängt von dem Ausmaß ab, in welchem sie innerhalb einer Gesellschaft anerkannt werden. Dieses Geld, das im alten Griechenland seinen Ursprung hat, verdankte seinen Wert einer gesellschaftlichen Übereinkunft, nach der die Zeichen auf den Münzen als Versprechen galten.7 Diese Übereinkunft ist es, die das Wesen des Geldes ausmacht. Das sollte heute offensichtlich sein, wo doch Geld vor allem in elektronischer Form existiert; und der Materialwert der Scheine ist nicht viel höher als jener von Toilettenpapier. Aber Geld war eben schon seit dem antiken Griechenland Symbol für eine Übereinkunft. Manche Geldreformer verkünden, dass wir mit Goldmünzen wieder “echtes Geld” wie in der guten alten Zeit einführen könnten. Diese guten alten Zeiten haben nie existiert – außer vielleicht in kurzen Augenblicken der Geschichte, und auch da eher als Ideal. Ich glaube, dass der nächste Schritt in der Evolution der Verwendung von Geld keine Rückkehr zu einer früheren Form von Währung ist, sondern eine Transformation: Aus einer unbewussten soll eine bewusste gesellschaftliche Übereinkunft werden.

Geld hat eine über fünftausendjährige Evolution hinter sich: von einer reinen Ware über ein Material mit symbolischem Wert bis zum reinen Symbol heute. Die Ökonomie der Verbundenheit soll diese Entwicklung nicht umkehren, sondern vollenden. Die Übereinkunft, die das Geld repräsentiert, ist nicht von anderen Symbol- und Zeichensystemen getrennt, auf denen unsere Zivilisation basiert. Wir können durch die Art und Verwendung unseres Geldes neue Übereinkünfte über den Planeten, uns Menschen und das, was uns heilig ist, treffen. Lange Zeit galt uns der Fortschritt, die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie und die Eroberung der Natur als heilig. Unser Geldsystem hat diesen Zielen gedient. Jetzt verändern sich unsere Ziele, und mit ihnen die großen Erzählungen darüber: die Geschichte vom Ich, die Geschichte von der Menschheit, die Geschichte über die Welt und eben auch jene über eine gesellschaftliche Übereinkunft namens Geld.

Dieses Buch soll eine neue Geschichte vom Geld erzählen. Es soll aufzeigen, welche neuen Übereinkünfte wir mit diesem Symbol des Vertrauens treffen könnten, damit es unser Verbündeter und nicht unser Feind auf dem Weg in jene schönere Welt ist, von deren Möglichkeit unsere Herzen schon wissen.

Es ist kein Zufall, dass dort, wo das symbolische Geld entstand, im antiken Griechenland, auch die anderen weltanschaulichen und philosophischen Grundsteine gelegt wurden, die noch heute unser Denken prägen, zum Beispiel die Idee vom Individuum oder Konzepte wie Logik und Verstand. In seinem wissenschaftlichen Meisterwerk “Money and the Early Greek Mind” hat Richard Seaford den Einfluss des Geldes auf die griechische Gesellschaft und das griechische Gedankengut untersucht und daraus Eigenschaften hergeleitet, die das Geld einzigartig machen: Geld ist beides, konkret und abstrakt, es ist einheitlich, unpersönlich, ein universelles Ziel und ein universelles Mittel, und es kennt keine Grenzen. Die Etablierung dieser neuen Macht in unserer Welt hatte weitreichende Auswirkungen, von denen viele so tief in unserer Kultur und unserem Denken, der Psyche und der Gesellschaft verwurzelt sind, dass wir sie kaum mehr wahrnehmen, geschweige denn in Frage stellen.

Geld ist einheitlich, weil Münzen als identisch gelten (solange sie alle denselben Wert bezeichnen), unabhängig von kleinen Unterschieden im Material. Neu oder alt, abgenützt oder glatt, alle Ein-Drachme-Münzen sind gleich. Das war etwas Neues im sechsten Jahrhundert vor Christus. Seaford beobachtet, dass in archaischen Zeiten Macht einzigartigen Talisman-ähnlichen Objekten zugeschrieben wurde (z.B.: einem Zepter, von dem man sich erzählte, es stamme von Zeus). Geld ist das Gegenteil: Seine Macht hat es durch ein normiertes Zeichen, das alle Schwankungen der Reinheit oder des Gewichts bedeutungslos macht. Qualität ist nicht wichtig, nur Quantität. Weil Geld in alle anderen Dinge umgerechnet werden kann, steckt es diese mit derselben Eigenschaft an: Sie werden zu Waren-Objekten. Solange diese bestimmten Kriterien entsprechen, betrachtet man sie als identisch. “Wie viel?” – das ist das einzig Wichtige. Seaford sagt: “Geld bewirkt generell, dass alle Dinge als gleichartig betrachtet werden.” Alle Dinge sind gleich, weil sie gegen Geld verkauft werden können, für das man sich wiederum andere Dinge kaufen kann.

In der Warenwelt entsprechen Dinge dem Geld, das sie ersetzen kann. Ihre wichtigste Eigenschaft ist ihr “Wert” – ein abstrakter Begriff. Ich spüre eine Distanzierung, eine Herabwürdigung in dem Satz: “Du kannst immer ein anderes davon kaufen”. Das fördert einen Anti-Materialismus, eine Distanzierung von der materiellen Welt, in der jede Person, jeder Ort und jedes Ding besonders und einzigartig ist. Kein Wunder, dass die griechischen Philosophen in der Antike begannen, das Abstrakte über das Reale zu erheben. Den Höhepunkt stellt die Ideenlehre von Plato dar, wonach das Urbild der perfekten Form wirklicher ist, als die mit den Sinnen erfahrbaren Abbilder. Kein Wunder, dass wir bis heute mit der materiellen Welt so unbekümmert umgehen. Nach zweitausend Jahren Übung in der Mentalität des Geldes sind wir die Ersetzbarkeit aller Dinge so gewohnt, dass wir uns benehmen, als könnten wir, falls wir unseren Planeten ruinierten, einfach einen neuen kaufen.

Ich habe dieses Kapitel “Geld und Geist” genannt. Geist ist genauso wie Geld ein Begriff für etwas Abstraktes, das mit einem materiellen Vehikel erscheint. Wie das Vertrauen in die Macht des Geldes hat sich auch die Idee vom Geist als getrennte, immaterielle Essenz des Seins über tausende Jahre bis zu der heutigen Vorstellung von einem immateriellen Bewusstsein, einem körperlosen Verstand entwickelt. Wie aufschlussreich, dass sowohl im säkularen als auch im religiösen Denken die Abstraktion wichtiger geworden ist als das materielle Vehikel, genau wie auch der “Wert” einer Sache wichtiger ist als deren stoffliche Eigenschaften.

In der Einleitung schrieb ich von der Vorstellung, dass wir einen Gott nach dem Ebenbild unseres Geldes geschaffen hätten: eine unsichtbare Kraft, die alle Dinge bewegt, die Welt belebt, eine “unsichtbare Hand”, die das menschliche Handeln ordnet, immateriell, aber allgegenwärtig. Viele dieser Eigenschaften von Gott oder Geist gehen auf die vor-sokratischen griechischen Philosophen zurück, die ihre Ideen genau zu der Zeit formulierten, als sich das Geld in ihrer Gesellschaft etablierte. Seaford zufolge waren sie die ersten, die überhaupt zwischen dem Wesen und der Erscheinung, dem Konkreten und dem Abstrakten unterschieden – diese Unterscheidung fehlte (auch implizit) noch bei Homer völlig. Die frühen griechischen Denker legten großen Wert auf das Abstrakte. Sie sahen darin ein verborgenes Prinzip, das die Welt ordnet: Anaximander sprach vom Urstoff, aus dem alles besteht als “Apeiron” (das Unendliche, das Unbegrenzte); Heraklit nannte das Prinzip der Weltordnung “Logos” (Sinn, Vernunft); Pythagoras wollte die Grundprinzipien der Welt mit Hilfe von Zahlen und mathematischen Verhältnissen verstehen. Diese Ideologie durchdrang den Kern unseres Denkens so weit, dass es passieren konnte, dass der Finanzsektor nun die Realwirtschaft erdrückt:

“Der Nennwert aller derivativen Finanzprodukte entspricht rund dem 12-Fachen des weltweiten Bruttoinlandproduktes (BIP). Das ist viel zu viel. Wenn diese Produkte nur als Absicherung dienen würden, wie es in den Lehrbüchern vorgesehen ist, dann sollten sie einen Anteil von vielleicht 10 bis 20 Prozent des BIP ausmachen. Aber sicher nicht 1200 Prozent.”8

Die größten finanziellen Erträge gehen an die Hexenmeister in den Finanzzentren, die nichts tun außer Symbole zu manipulieren. Für den Broker an seinem Computer ist es tatsächlich so wie Pythagoras sagte: “Alles ist Zahl”.

Ausdruck dieser Trennung zwischen Geist und Materie – wobei ersterer höher bewertet wird – sind Aussagen wie diese: “Klar, die Forderungen nach ökonomischen Reformen sind ein berechtigtes Anliegen, aber viel wichtiger ist eine Transformation im Bewusstsein der Menschen.” Ich denke, dass diese Sichtweise missverständlich ist, weil sie auf einer falschen Dichotomie zwischen Bewusstsein und Handeln und letztlich zwischen Geist und Materie beruht. Auf einer tieferen Ebene sind Geld und Bewusstsein eng miteinander verwoben. Das eine ist vom anderen bedingt.

Die Entstehung von abstraktem Geld passt in einen viel größeren, meta-historischen Zusammenhang. Geld hätte ohne eine Grundlage im abstrakten Denken in Form von Worten und Zahlen nicht entstehen können. Schon jede Zahl und jede Bezeichnung bringen uns einen Schritt weg von der realen Welt und bereiten unseren Verstand auf das abstrakte Denken vor. Der Gebrauch eines Substantivs beinhaltet schon die Identität vieler Dinge gleichen Namens; wenn man sagt “es gibt fünf davon”, zählt man schon in Einheiten, und die Einzigartigkeit eines jeden bleibt auf der Strecke. Wir beginnen, von Objekten als Repräsentanten einer Kategorie und nicht als einzigartige Existenzen an sich zu denken. Obwohl also das heute gebräuchliche Denken in allgemeinen Kategorien nicht mit dem Geld seinen Anfang nahm, so hat das Geld doch die Vorherrschaft dieses Denkens maßgeblich beschleunigt. Darüber hinaus ging mit der Homogenität von Geld die rapide Entwicklung von standardisierten Waren für den Handel einher. Diese Standardisierung war in vorindustriellen Zeiten eher grob, aber heute sind Industrieprodukte beinahe identisch, so als wollte man die Lüge des Geldes wahr machen.

Wenn wir über ein mögliches Geld der Zukunft nachdenken, dürfen wir nicht vergessen, dass es die Macht hat, alles zu vereinheitlichen, mit dem es in Berührung kommt. Vielleicht sollte Geld nur für Dinge verwendet werden, die standardisiert, quantifizierbar oder unspezifisch sind oder sein sollten. Vielleicht sollte eine andere Art von Geld oder überhaupt kein Geld für Dinge verwendet werden, die persönlich und einzigartig sind. Wir können Preise nur anhand von standardisierten Einheitswerten vergleichen. Wenn wir aber mehr als das erhalten, etwas nicht Messbares, dann haben wir etwas Zusätzliches bekommen, für das wir nicht bezahlt haben. Wir haben mit anderen Worten ein Geschenk erhalten. Klar können wir Kunst kaufen, aber wenn wir das Kunstobjekt nur als Ware sehen, dann ist der Preis dafür viel zu hoch. Ist es aber wahre Kunst, dann bezahlen wir immer viel zu wenig dafür. Genauso können wir zwar Sex aber nicht Liebe kaufen, oder Kalorien aber keine Nahrung. Wir leiden heute an einer Armut an dem, was nicht messbar ist und keinen Preis hat. In unserem Überdruss an dem vielen Zeug, das wir kaufen können, hungern wir nach dem, was mit Geld nicht zu haben ist (wobei diese materielle Übersättigung so ungleich verteilt ist, dass viele Menschen sogar immer noch an einer Armut leiden, die sehr wohl mit Geld beseitigt werden könnte).9

Geld vereinheitlicht nicht nur die Dinge, die es berührt, sondern auch seine Benutzer, sie werden zu Un-Personen: “Es ermöglicht jene Art von kommerziellem Austausch, die von allen anderen Beziehungen losgelöst ist.”10 Menschen werden zu reinen Transaktionspartnern reduziert. Im Gegensatz zu den vielfältigen Beweggründen, die das Schenken und Beschenktwerden charakterisieren, sind wir bei Geldgeschäften alle gleich: Wir alle möchten das beste Geschäft machen. Diese Einheitlichkeit aller Menschen – eine Folge der Verwendung von Geld – wird von der Wirtschaftswissenschaft als deren Ursache gesehen. Die ganze Geschichte der Entstehung von Geld aus dem Tausch beruht auf der Annahme, dass es in der menschlichen Natur läge, nur das Eigeninteresse zu verfolgen. Man nimmt an, dass in dieser Hinsicht alle Menschen gleich wären. Dort, wo es keinen einheitlichen Standard für Wert gibt, möchten Menschen unterschiedliche Dinge. Wenn aber Geld gegen alles andere getauscht werden kann, dann möchten alle Menschen dasselbe: Geld.

Seaford schreibt: “Bar jeder persönlichen Verbindung ist Geld promiskuitiv: es kann mit jedem für alles ausgetauscht werden, unabhängig von allen zwischenmenschlichen Beziehungen.”11 Geld behält nicht wie andere Dinge die Spuren seiner Herkunft, und man sieht ihm nicht an, wer es vorher gehabt hat. Während ein Schenkender auch einen Teil von sich selbst im Geschenk weitergibt, ist das Geld einfach nur Geld – egal von wem es kommt. Wenn ich $2.000 auf der Bank habe, die eine Hälfte von meinem Freund, die andere von meinem Feind, dann kann ich nicht zuerst die $1.000 von meinem Feind ausgeben und die $1.000 von meinem Freund aufbewahren. Jeder Dollar ist gleich.

Vielleicht legen deshalb viele Menschen Wert darauf, das Geschäft und die Freundschaft getrennt zu halten, weil sie diese Unvereinbarkeit zwischen Geld und persönlichen Beziehungen spüren. Eine Beziehung wird unpersönlich, wenn Geld im Spiel ist. Zwei Menschen werden auf reine “Tauschpartner” reduziert, die nur mehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Wenn ich mein Eigeninteresse durchsetzen möchte, wenn nötig auf Ihre Kosten, wie können wir dann Freunde sein? Und wenn wir in unserer vom Geld dominierten Gesellschaft fast alle unsere Bedürfnisse mit Geld befriedigen, wo gibt es dann noch Raum für persönliche Geschenke, aus denen Freundschaften entstehen können?

Dass das Profitstreben im Gegensatz zu allen wohlmeinenden persönlichen Motiven steht, ist quasi unumstößlich; daher auch der Satz: “Nimm es nicht persönlich – so läuft halt das Geschäft.” Heute versuchen zwar Strömungen für ethische Geschäftsmodelle oder ethisches Investment die Kluft zwischen Liebe und Profit zu überbrücken, aber solche Versuche mutieren oft zum PR-Gag, dienen als Feigenblatt (“Green Washing”), oder zeigen sich selbstgerecht, selbst wenn die Motivation dahinter noch so aufrichtig war. Das ist kein Zufall. In Kapitel 20 werde ich erklären, welchen fatalen Widerspruch der Versuch ethisch zu investieren in sich birgt. Hier nur so viel: Werden Sie sich Ihres natürlichen Misstrauens gewahr, wenn es um solche Ideen geht oder generell, wenn es heißt, dass man ja auch reich werden und Gutes tun kann.

Wenn man von einem scheinbar altruistischen Unternehmen hört, denkt man oft: “Wo ist der Haken? Wie machen die heimlich Gewinn mit ihrem Modell? Wann werden sie von mir Geld verlangen?” Der Verdacht: “Die machen das doch eigentlich nur fürs Geld” steht fast immer im Raum. Rasch vermuten wir hinter allem, was Menschen tun, finanzielle Motive. Und wenn wir einmal jemandem begegnen, der oder die wirklich so großherzig oder naiv freigiebig ist, dass dieses Motiv offenbar wirklich nicht zählt, dann bewegt uns das tief. Es scheint unvernünftig, ja sogar wundersam, dass jemand wirklich etwas gibt, ohne etwas dafür zurück zu verlangen. Lewis Hyde sagt: “Dort, wo der Wucher regiert, rührt uns die Sentimentalität des Mannes mit einem weichen Herz deswegen so an, weil es uns daran erinnert, was wir verloren haben.”12

Der Generalverdacht, dass hinter jedem Tätigwerden das Profitmotiv lauert, wird dadurch verstärkt und bestätigt, dass Geld als universelles Ziel gilt. Schon in der Schulzeit werden wir angehalten, unsere Fähigkeiten daraufhin zu prüfen, ob sie sich eignen, mit ihnen unser Leben zu verdienen (also sie zu Geld zu machen). Diese Denkart ist prägend: Wenn mir mein Sohn im Teenager-Alter die Computerspiele zeigt, die er entwirft, ertappe ich mich selbst bei der Überlegung, wie er seine Fähigkeiten als Programmierer verkaufen könnte, und was er als nächstes lernen sollte, um sich später noch besser am Markt zu behaupten. Fast immer, wenn jemand eine aufregende, kreative Idee hat, folgt gleich darauf die Frage: “Wie können wir damit Geld verdienen?” Aber wenn das Gewinnstreben zum Ziel wird und nicht mehr ein Nebeneffekt des künstlerischen Tätigseins ist, dann hört das Geschaffene auf, Kunst zu sein, und wir werden zu Verrätern. Robert Graves erweitert dieses Prinzip auf unser ganzes Leben und warnt: “Du wählst einen Job, damit du ein regelmäßiges Einkommen hast und in deiner Freizeit der Göttin huldigen kannst, die du verehrst. Du hältst deinen Teilzeit-Götzendienst für ausreichend und würdig. Du wirst fragen, wer ich bin, dass ich dich ermahne, aber: Sie verlangt entweder völlige Hingabe oder überhaupt keine.”13

Geld als das höchste Ziel ist auch in unserer Sprache verankert. Wir sprechen davon, von unseren Ideen zu “profitieren”, und mit “gratis” verbinden wir „umsonst“ oder „kostenlos“ und denken wohl kaum daran, dass das Wort auf das lateinische gratia, Dank, zurückgeht. Natürlich herrscht dieses Denken in der Wirtschaftstheorie: Menschen verfolgen angeblich ihren größten persönlichen Vorteil, und der wird mit Geld gleichgesetzt. Auch in der Naturwissenschaft hat sich die Vorstellung von einem universellen Ziel etabliert: das reproduktive Eigeninteresse, also der Drang, die eigenen Gene in die nächste Generation zu bringen.

Dabei ist die Vorstellung überhaupt nicht selbstverständlich, dass das Leben ein bestimmtes allgemeingültiges Ziel (sei es Geld oder etwas anderes) haben muss. Diese Idee ist offensichtlich zur selben Zeit aufgekommen, als auch das Geld entstand. Vielleicht war es sogar das Geld, das die Philosophen auf diese Idee brachte. Sokrates benutzte explizit die Geldmetapher, um Klugheit als das universelle Ziel vorzuschlagen: “Gibt es da nicht nur eine rechte Münze, gegen die wir all diese anderen Dinge [Freuden und Schmerzen] tauschen sollten: Klugheit?”14 Auch in der Religion gibt es diese Vorstellung von einem letzten Ziel, sei es die Erlösung oder die Erleuchtung, das die Quelle für alles Gute ist – welch frappierende Ähnlichkeit zum Geld als dem letzten Ziel! Ich frage mich, welche Auswirkungen es auf unsere Spiritualität hätte, wenn wir nicht mehr ein einziges, abstraktes Ziel verfolgten, das wir für den Schlüssel zu allem anderen halten. Wie würde es sich anfühlen, wenn wir uns von dem endlosen Streben nach kontinuierlicher Selbstverbesserung, nach einem bestimmten Ziel, lösen könnten? Wie wäre es, wenn wir statt dessen einfach spielten? Wie wäre das, einfach nur zu sein? Wie Reichtum ist auch die Erleuchtung ein Ziel, das keine Grenzen und keine endgültige Erfüllung kennt. In beiden Fällen kann man zum Sklaven seiner Zielstrebigkeit werden. Mir scheint, dass das jeweils angestrebte Ziel ein Ersatz für eine Vielzahl an Dingen ist, die die Menschen eigentlich wirklich wollen.15

In einer vollständig vom Geld beherrschten Welt, in der praktisch alles entweder Ware oder Dienstleistung ist, verwandelt das Geld die Vielfalt in eine Einheit, es ist ein “einzelnes Ding, das Maß für und austauschbar gegen fast alles andere ist.”16 Apeiron, Logos und ähnliche Konzepte waren Versuche, eine Einheit zu definieren, die allem zugrunde liegt, und aus der heraus alles entsteht. Sie wäre der Ursprung und Endpunkt für alles, was ist. Als solche ist diese Idee dem alten chinesischen Begriff des Tao sehr ähnlich. Aus dem Tao gehen Yin und Yang und danach die zehntausend Dinge hervor. Interessant, dass der zur Legende gewordene Begründer des Taoismus, Lao-Tse, annähernd zur selben Zeit (im 6. Jh. v. Chr.) lebte wie die Vorsokratiker – was wiederum in etwa mit der Zeit der ersten Münzprägungen in China zusammenfällt. Jedenfalls ist es auch heute immer noch das Geld, das die zehntausend Dinge hervorbringt. Was man in dieser Welt auch schaffen möchte, man beginnt mit einer Investition, mit Geld. Und dann, wenn man das Projekt abgeschlossen hat, wird es Zeit, es zu verkaufen. Alles entsteht aus Geld, alles kehrt zum Geld zurück.

Geld ist daher nicht nur ein universelles Ziel, es ist auch ein universelles Mittel. Und genau weil es ein universelles Mittel ist, ist es auch ein universelles Ziel, von dem man nie genug haben kann. Zumindest erleben wir das so. Oft war ich Zeuge von Diskussionen, in denen Menschen überlegten, wie sie eine intentionale Gemeinschaft gründen oder ein anderes Projekt beginnen könnten. Und die Diskussion endete mit der entmutigten Feststellung, dass das niemals umgesetzt werden könne, denn: “Wo sollen wir bloß das Geld dafür auftreiben?” Es ist gut nachvollziehbar, warum Geld scheinbar der ausschlaggebende Faktor ist, der bestimmt, was wir tun können: Schließlich kann man mit Geld fast jedes Ding kaufen, und es bringt Menschen dazu, fast alles zu tun. „Alles hat seinen Preis.“ Mit Geld kann man anscheinend auch Immaterielles wie sozialen Status, politische Macht und das Wohlwollen der Götter (und wenn nicht das, dann zumindest die Gunst der religiösen Autoritäten, was wohl das Nächstbeste ist) erkaufen. Wir sind es gewohnt, Geld als den Schlüssel zur Erfüllung all unserer Wünsche zu sehen. Wie viele Träume haben Sie, die Sie mit Geld (und nur damit) erfüllen zu können glauben? Wir heften unsere Träume also ans Geld und machen es so vom Mittel zum Zweck.

Ich werde nicht die Abschaffung des Geldes fordern. Aber es hat seine angemessenen Grenzen überschritten, ist zum Mittel geworden, um Dinge zu erreichen, die niemals von seiner Einheitlichkeit und Unpersönlichkeit hätten infiziert werden sollten. Inzwischen, wo wir Geld zum Universalmittel gemacht haben, sind diese Dinge, die einfach nicht käuflich sind, unerreichbar geworden. Auch mit noch so hohen Geldsummen können wir nur Imitate davon kaufen. Also müssen wir dem Geld seine angemessene Rolle zurückgeben. Manches können Menschen ja tatsächlich nur mit Geld oder mit einem ähnlichen Mittel, das Aktivitäten im großen Maßstab koordinieren kann, bewerkstelligen. In seiner heiligen Form ist Geld Teil einer Geschichte, Inbegriff einer Übereinkunft, welche Rollen zuweist und Absichten fokussiert. Ich werde dieses Thema später wieder aufgreifen, wenn ich beschreibe, welche Rolle das Geld in einer heiligen Ökonomie spielen könnte.

Weil es scheinbar keine Grenze für das gibt, was man mit Geld kaufen kann, wächst auch unser Verlangen nach Geld ins Unermessliche. Die maßlose Gier nach Geld scheint auch schon im antiken Griechenland weit verbreitet gewesen zu sein. Ganz zu Beginn der Ära des Geldes bemerkte der große Dichter und Reformer Solon: “Für den Reichtum liegt bei den Menschen keine sagbare Grenze vor. Denn jene, welche den größten Reichtum besitzen, wollen ihn immer noch verdoppeln.” Aristophanes schrieb, dass das Geld einzigartig sei, weil sich bei allen anderen Begehrlichkeiten (wie Hunger oder sexuellem Verlangen etc.) ein Sättigungsgefühl einstellt, nicht aber beim Geld.

“Wie viel ist genug?”, fragte ein Freund einmal einen Milliardär, den er kannte. Der verblüffte Milliardär hatte keine Antwort darauf. Kein noch so großer Betrag an Geld kann jemals genug sein, weil wir versuchen, damit Bedürfnisse zu erfüllen, die mit Geld nicht erfüllt werden können. Also wirkt Geld in dieser Hinsicht wie jede andere suchterzeugende Substanz: Es dämpft vorübergehend den Schmerz, den ein unbefriedigtes Bedürfnis verursacht, wobei das Bedürfnis selbst weiterhin unbefriedigt bleibt. Man braucht immer mehr davon, um den Schmerz zu betäuben, aber keine noch so große Dosis reicht je aus. Menschen verwenden Geld heute als Ersatzmittel für Beziehungen, Nervenkitzel, Selbstachtung, Freiheit und für vieles mehr. “Wenn ich nur eine Million Euro hätte, dann wäre ich frei!” Wie viele begabte Menschen opfern ihre Jugend der Hoffnung, möglichst früh in Rente zu gehen und dann ein Leben in Freiheit zu genießen, nur um sich in der Mitte ihres Lebens eingestehen zu müssen, dass sie zu Sklaven ihres Geldes geworden sind?

Wenn Geld ein reines Tauschmittel ist, dann unterliegt es den selben Grenzen wie jene Güter, gegen die es getauscht werden kann. Dann bremst unser Sättigungsgefühl das Begehren nach mehr. Wenn Geld aber zusätzlich die Funktion des Wertaufbewahrungsmittels annimmt, dann wird unsere Begierde danach grenzenlos. Daher ist eine Idee, die ich untersuchen werde, was passiert, wenn man die Funktion von Geld als Tauschmittel von der Funktion als Wertaufbewahrungsmittel trennt. Diese Idee ist nicht neu, sie geht schon auf Aristoteles zurück, der zwischen zwei Arten von Reichtum unterschied: eine, in der es um die reine Anhäufung geht, und die andere, bei der die Erfüllung von Bedürfnissen im Vordergrund steht.17 Die erstere bezeichnet er als “unnatürlich”, weil sie keine Grenze kennt.

Im Gegensatz zu materiellen Gütern erlaubt es die Abstraktheit von Geld, im Prinzip unbegrenzte Mengen davon zu besitzen. Daher fällt es den Ökonomen auch so leicht, sich ein unbegrenztes exponentielles Wachstum vorzustellen, wenn eine reine Zahl die Größe einer Volkswirtschaft darstellt. Wenn die Gesamtheit aller Güter und Leistungen eine Zahl ist, was soll denn das Wachstum einer Zahl beschränken? Verloren in dieser abstrakten Welt übersehen wir, dass sich Natur und Kultur unserem Wachstum nur begrenzt anpassen können. Ganz nach Plato halten wir das Abstrakte für realer als die Wirklichkeit und retten Wall Street, während die Realökonomie dahinsiecht. Die Essenz unserer vom Geld beherrschten Welt nennen wir “Wert”. Diese abstrakte, einheitliche Größe verstellt uns den Blick auf die Vielfalt der Welt. Alles wird reduziert auf das, was es wert ist. So entsteht die Illusion, dass die Welt genauso einheitlich und unbegrenzt ist, wie es Zahlen sind. Fast alles hat einen Preis, um den man es kaufen kann, sogar, wenn es das Fell einer vom Aussterben bedrohten Tierart ist.18

Hinter der Ungrenze des Geldes liegt noch eine weitere verborgen: die des menschlichen Herrschaftsbereichs, jenes Teils der Welt, der uns Menschen “gehört”. Denn welche Dinge kaufen und verkaufen wir? Unser Eigentum, Dinge, die wir besitzen, die wir so behandeln als gehörten sie uns. Dieser Herrschaftsbereich wurde durch die Anwendung von Technologie konstant erweitert. Dinge, die früher nicht erreichbar waren, und Dinge von denen es undenkbar war, dass sie menschlicher Verfügungsgewalt unterliegen könnten, stehen jetzt zum Verkauf: Mineralien tief in der Erde, Bandbreiten des elektromagnetischen Spektrums, Gensequenzen. Parallel mit unseren wachsenden Besitzansprüchen aufgrund der technologischen Entwicklung hat sich auch unser Bezug zu Land, Wasser, Musik und Geschichten geändert: auch sie wurden zu Eigentum. Geld, das keine Grenzen kennt, suggeriert, dass sich auch Eigentum unendlich weit ausdehnen kann. Es scheint die Bestimmung der Menschheit zu sein, das Universum zu erobern und alles dem menschlichen Herrschaftsbereich zu unterwerfen. Das ist Teil des Mythos vom Aufstieg, den ich beschrieben habe,19 und Teil der Geschichte unserer Zivilisation. Heute verliert diese Darstellung zunehmend an Gültigkeit. Eine neue Geschichte wird die alte ersetzen, und wir müssen ein Geldsystem erfinden, das besser dazu passt.20

Die Eigenschaften von Geld, die ich hier diskutiert habe, sind nicht notwendigerweise schlecht. Indem es alles, womit es in Berührung kommt, vereinheitlicht und standardisiert, hat Geld als universelles Mittel den Menschen geholfen, Wunder zu vollbringen. Geld spielte eine Schlüsselfunktion bei der Entstehung der technologischen Zivilisation. Aber vielleicht haben wir – wie auch in der Technologie – gerade erst begonnen zu verstehen, wie wir ein solch mächtiges, kreatives Instrument seiner wahren Bestimmung gemäß verwenden können. Geld hat die Entstehung von standardisierten Komponenten wie Maschinenteilen oder Mikrochips gefördert – aber wollen wir, dass auch unsere Nahrung so einheitlich wird? Die Unpersönlichkeit von Geld ermöglicht Zusammenarbeit über große Entfernungen hinweg; es ermöglicht, die Arbeit von Millionen von Menschen zu koordinieren, die einander meist gar nicht kennen – aber wollen wir, dass auch unsere Beziehungen zu Menschen in der Nachbarschaft so unpersönlich werden? Geld als universelles Mittel ermöglicht uns beinahe alles – aber wollen wir, dass es auch zu einem ausschließlichen Mittel wird, ohne das wir praktisch nichts mehr tun können? Es ist an der Zeit, dass wir lernen, dieses Werkzeug zu benützen, jetzt, wo die Menschheit auf dem Weg ist, eine neue, verantwortungsvolle und bewusste Rolle auf der Erde zu übernehmen.

1Die Politik des Aristoteles, Band 1; Übersetzung: Christian Garve, Verlag Franz Haas, Wien und Prag, 1803.

2Richard Seaford: Money and the Early Greek Mind. Cambridge: Cambridge University Press, 2004. S.132–3.

3Ebd., 137.

4Ebd., 139–45.

5Ebd., 119.

6Ebd.

7Ausgenommen waren für den Aussenhandel bestimmte Münzen, welche über die Reichweite dieser gesellschaftlichen Übereinkunft hinaus zirkulierten. Der Wert solcher Münzen war vom intrinsischen Materialwert des Metalls bestimmt, aus dem sie gemacht waren. Doch selbst hier war ein allgemeines gesellschaftliches Verständnis von Wert notwendig, weil Silber und Gold an sich als Metalle damals nicht sehr nützlich waren.

8Anm. d.Ü.: Als „Sacred Economics“ im Sommer 2011 auf englisch erschien war das Verhältnis noch 10:1, dieses Zitat wurde bei der Übersetzung eingefügt, Quelle: Marc Chesney im Interview mit NZZ Online, 5.4.2012
http://www.nzz.ch/finanzen/nachrichten/die-finanzsphaere-sollte-der-realwirtschaft-dienen_1.16260879.html

9Dieser Überdruss läuft parallel zum Problem der “Überkapazität”, das bei industrieller Produktion immer wieder auftritt. Deswegen versucht man auch als Reaktion auf Wirtschaftskrisen, die Nachfrage anzuregen.

10Seaford, Money and the Early Greek Mind, S.1 51.

11Seaford, Money and the Early Greek Mind, S.155.

12Lewis Hyde: Die Gabe – Wie Kreativität die Welt bereichert.. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008

13Robert Graves: Die weiße Göttin. Rororo 55416, Rowohlt, Reinbek 1999

14Platon, Phaidon 69b3.

15Unter den ungestillten Bedürfnissen unserer Zeit ist jenes nach Verbundenheit – sowohl mit anderen Menschen als auch mit der Natur – eines der größten. Paradoxerweise wird diese Verbundenheit gerade durch das abstrakte und unpersönliche Geld weiter geschwächt. Spiritualität, wenn sie als individuelles Streben verstanden wird, das man am besten abseits der Lebenswelt betreibt, hat denselben Effekt. Können wir uns eine andere Art von Geld vorstellen, die den gegenteiligen Effekt hat?

16Seaford, Money and the Early Greek Mind, S.150.

17Die Politik des Aristoteles, Band 1

18Der Leser mag ein Paradox erkannt haben: Wir leben in einer Welt der Fülle, wie in Kapitel 2 beschrieben, und trotzdem hat unsere Biosphäre nur begrenzte Ressourcen. Das Paradox kann gelöst werden, wenn man bedenkt, dass der Großteil unseres übermäßigen Konsums und der Überproduktion keine wirklichen Bedürfnisse bedient, sondern das Resultat einer empfundenen Knappheit und einer existentiellen Einsamkeit ist, unter der das von der Natur und der Gemeinschaft abgeschnittene Ich leidet.

19Anm. d.Ü.: in Charles Eisenstein: Die Renaissance der Menschheit. Scorpio Verlag, München 2011

20Dasselbe gilt für die andere Geschichte, über die sich unsere Zivilisation definiert: jene vom “getrennten und eigenständigen Ich”. Unser Geldsystem rechtfertigt auch diese Sichtweise, indem es persönliche Vebindungen auflöst, uns zueinander in Konkurrenz setzt, und uns sowohl von der Gemeinschaft als auch von der Natur trennt.

 

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